Freud Studienausgabe, Tech-House-Release
1. Fragen
Die kleine Skizze über den Generalstadtplan 1904 und darüber, welche Auskunft er gibt über das Gebäude, in dem wir leben, ist programmatisch. Ist programmatisch für einen Zugang zu Welt, der grundsätzlich immer nach dem "Warum?", "Wie?" und "Woher?" des Soseins fragt und nicht eher ruht, bis diese und jede Menge anderer Fragen - genauso wie Fragender und Befragter - erschöpfend beantwortet sind. Oder bis die Datenmenge unübersichtlich geworden ist.
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2. Befremdet-Sein
Nur, wer diese Fremdheit kennt, getraut sich zu Fragen. Oder aber: Wer bewusst die Position des Fragenden einnimmt und einnehmen kann. Zulassen kann also, in der Situation die Rolle des Unterlegenen, des Kindes, der um Auskunft Bittenden zu spielen.
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Fliegerschiffchen UdSSR, Ghost in the Shell, Hundeknabbergeweih, Eule aus der Türkei, Häkelschnecke, Zuckerdose von Hannibal und Pauline, Viktor E. Frankl, Pico della Mirandola
3. Kinderspiele
Lustigerweise funktioniert dieses Spiel in einem Sozialgefüge und in dieser Gesellschaft, die prinzipiell nach dem Paradigma Dominanz/Unterwerfung basiert, sehr effektiv: Der Befragte bläht sich auf, spricht seinen Text und sieht dabei sein Gegenüber in den seltensten Fällen an, nimmt ihn nicht wahr, hört ihm nicht zu.
Auf diesem Spiel basiert das journalistische Interview, die wissenschaftliche Erkundigung, womöglich gar das Aushorchen: Ich sehe, werde von meinem Gegenüber aber nicht gesehen, da es blind ist im Kairos der Selbstdarstellung. Ich höre mein Gegenüber, es selbst aber hört nicht mich, sondern nur die Trigger-Points, die ich gebe, die Fragen, die ich stelle, die Fallen, die ich auslege.
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4. Jagd-Sinn
Denn ich bin Jäger, als Wissenschafter und als Journalist. Deswegen trage ich Tarnkleidung. Deswegen ficht es mich nicht an, auch Altwaren, Sperrmüll, vorgebliche Abfälle, Trivia & Ephemera aufzuklauben und so lange aufzubewahren, als sie SINN für mich haben.
SINN: Sie erinnern mich an etwas. Sie erinnern mich an einen Menschen und an das, was er mir zu denken aufgibt. Sie erinnern mich an eine Situation, die ich - und sei es Jahrzehnte später - überdenken, befragen und einordnen will. Sie erinnern mich an eine Fragestellung, die mir wichtig erscheint und mit der ich mich weiter konfrontieren will. Und: Sie erinnern mich an gedanklich Uneingeholtes (Thinking-To-Do, Á-Penser-Pensum).
Bin ich mit einem solchen Nachdenken fertig, mag ich das Objekt, das Aide-Mémoire getrost weggeben, wegschenken, wegwerfen: Ein anderes Stück der Dingwelt (res extensa) tritt an seinen Platz. - Dies dürfte ein Fundament meiner Freigebigkeit sein und ein Grund dafür, warum mich der Verlust vieler materieller Habseligkeiten nicht besonders trifft.
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Physische Objekte als "Proben" (specimen, Muster) der Zu-Denkenden Welt und der Zu-Reflektierenden Sachverhalte: Und voilá der Grund für meine an Fundstücken überquellende Behausung. Denn, nein: Es geht mir fundamental nicht um den Besitz an sich. Es geht mir um die Denklandschaft, die diese Objekte eröffnen. Es geht um die Triggerpoints, die diese Dinge generieren.
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6. Durchlaufobjekte
Daraus folgt Zweierlei:1. Ich kann in großem Stil wegwerfen (zumal die materielle Bescheidenheit überhaupt Grundlage meines Denkens ist: Das Exklusive ekelt mich an und stößt mich ab). Ich kann für viele Objekte - so sie noch wahr sind also gedanklich relevant - jede Menge Quidproquos finden (Alternativen, Ersetzungen und nicht Ersatz) und ich verschenke gern: Die rotgoldene Uhrkette eines Urgrossvaters an D., den letztlich falschen Gandhi, den feinen römischen Kopf aus Carnuntum an die herrliche Schweizer Schriftstellerin E.P., eine große Frau, die ich seither nie wieder traf.
2. Die Objekte müssen in der Wohnung sichtbar platziert sein, um gedanklich wirksam zu sein und zu bleiben. In geschlossenen Schränken, Truhen und Boxen verlieren sie ihre generative und evokative Kraft. Wie Menschen, die man lange nicht sieht.
Oft muss ich angesichts meiner eigenen Wohnung an einen Satz aus einer Biografie denken, der von der "profusion of things" in Freuds Wohnung sprach. Und hierin besteht vielleicht ein Moment meiner Affinität zu Freud: Wie er seine "alten und dreckigen Götter" als totemistische Realien und als gedankliche Trigger/Gegenüber in sein Denken-Schreiben, Schreib-Denken einbezieht und konkret adressiert.
(In Anlehnung an die indianischen Dream-Catcher-Mobiles könnte man von Thought-Catcher-Objekten sprechen.)
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GusGus: Arabian Horse, Schleich-Pferde und -Büffel I relate to, staubige Leder-Film- und Objektivtaschen ca. 1940, Minibibel, Buster Keaton, Tunesische Musik von Kläusle, Kastanienreisig 2014.- Biblia Sacra, 3 Bände, Marx "Das Kapital", 3 Bände, Kropotkin, Augustinus. - Und: Endlich habe ich auf diesem Weg (der Fotografie) das lange vergeblich gesuchte Metronom gefunden -
7. Altwarenhändler oder Kunstmuseum?
Dass hier verkürzt wurde und die consecutio temporum mit polemischer Absicht verdreht, dürfte evident sein. Denn just der geradezu rabiate Besuch von Kunstmuseen, Auktionshäusern, Galerien lehrte den Blick, Akzente zu setzen, zu fokussieren und das (für mich) Wertvolle aus dem (für mich) Wertlosen zu sondern.
Auch Illusionen und Erwartungen und Hoffnungen soll man wegwerfen, wenn sie nicht mehr taugen.In meinem Fall: Wenn sie der Erfahrung von Wissen, Kenntnis, Erkenntnis nicht mehr dienlich sind. Oder man macht es wie Ursus Wehrli, der die dünn gewordene Kunst nicht grimmig wegwirft, sondern sie humoristisch und parodistisch spiessbürgerlich "in Ordnung bringt" ("Kunst aufräumen").
Zum "Aufräumen der Welt" und zum Ordnungsbedürfnis von Lebewesen an anderer Stelle.
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