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Montag, 17. November 2025

Erschienen: Essay zu Barbara Köhler, Schriftstellen (Suhrkamp)


Barbara Köhler bei der Produktion ihres Hörstücks „Echos Quelle“ im ORF-Studio. Ursendung: 11.07.2006, „Literatur als Radiokunst“ im ORF „Kunstradio“. Foto @ Zintzen 2006, abgedruckt in die horen Andreas Erb, Christof Hamann (Hg.): «‹Was warten ist›»: Garten der Wörter — ein Florilegium für Barbara Köhler«. die horen 286 (2022).

Barbara Köhler bei der Produktion ihres Hörstücks „Echos Quelle“ im ORF-Studio. Ursendung: 11.07.2006, „Literatur als Radiokunst“ im ORF „Kunstradio“. Foto @ Zintzen 2006, abgedruckt in Andreas Erb, Christof Hamann (Hg.): «‹Was warten ist›»: Garten der Wörter ein Florilegium für Barbara Köhler«. die horen 286 (2022).

 

Rede in Osmose

 

[...] Diese Rezension der Edition einer Anthologie von Texten einer wertgeschätzten Autorin kann nicht der Ort einer angemessenen postumen Würdigung sein. Gleichwohl sei daran erinnert, mit welcher Virtuosität Barbara Köhler die Rede in Osmose mit verschiedensten Sprachen und Idiomen versetzte. Solcherart sprengte sie unerwartete, unerhörte und flimmernde Sinnebenen frei, ohne diese freilich mit dem Zement einer vorgefassten «Botschaft» abbinden zu wollen. 

In mannigfaltigen Explorationen unterzog sie jedwedes Schreiben und Sagen einer angewandten Materialprüfung, deren prozedurale Iterationen für Lesende und Hörende überraschende und erhellende Erkenntnisse zeitigten. Was die Dichterin Anja Utler in ihrem Nachruf zutreffend als «Levitationen» bezeichnet hat, ankert wohl insbesondere in Barbara Köhlers immenser poetischer Potenz, Sprach- und Dichtkunst auf die Stufe des Reflexiven, Relationalen und Rekursiven zu heben.

 

Ich habe das Sagen nicht. Ich lasse es 

mir gesagt sein mir gefallen Wendungen

die verwandeln [...] (Entpuppung)

 

Für Lesende und Hörende öffnen Köhlers rhythmisch und melodisch akzentuierten Texte einerseits einen hinreißenden ästhetischen Genuss. Zugleich erzeugen die unmittelbar in die Sprach-, Form- und Lautgebung eingewirkten Polysemien, Umspringbilder und Kippmomente ein hoch aufgeladenes elektrisches Feld kompossibler Semantiken, deren Valenzen die — zumeist auf kürzere Textformen bedachte — Künstlerin sorgfältig in Schwebe zu halten verstand. 

Barbara Köhlers Œuvre bringt Literatur und Metaliteratur (als angewandte Reflexion der literarischen Praxis) ebenso zur Deckung wie Sprache und Metasprache im Sinne einer poetisch realisierten Sprachreflexion und -kritik.

 

Erkenntnismomente 

 

Dieses Werk beläuft sich in keinem papierenen ästhetischen Selbstzweck, sondern es äußert sich jener universale Witz, der sich — ob still schmunzelnd oder in homerischem Gelächter — von Erkenntnismoment zu Erkenntnismoment voranjubelt: Barbara Köhlers Esprit stiftet Begeisterung, und zwar genau dort, wo die Einsicht in die Mediokrität (und Korrumpierbarkeit) der Medien am größten ist. 

 

Ob Sprache oder Grammatik, Schreibmaschine oder Internet, ob die window-gleichen Darstellungsmetaphern am PC oder die Glasfronten von Galerieräumen: Das Gemacht-Sein (Heideggers entfremdeter «Gegenstand») all dieser Instrumentarien, Medien oder gar Prothesen wird aktiv und geistreich reflektiert. Es sind jene im Band Blue Box benannten «triste[n] Kiste[n]» der medialen Materialität, die Barbara Köhler geistesgegenwärtig durch die Filter von Poesie, Philosophie und Witz zu gebrauchen und gleichzeitig zu überwinden verstand. [...]

 



Triste Kiste: Ein verlegerischer Schnellschuss redet Werk und Leben der Schriftstellerin Barbara Köhler klein. Wespennest 189 (November 2025), S. 100–102. (Link zum Inhaltsverzeichnis | Link zur Zeitschrift)

 

 


 

Dienstag, 4. April 2023

Kittlers "Aufschreibesysteme" in neuer Edition – Anregungen für ein "Literatur als Radiokunst"-Archiv (Archi-LARK)

 


"Aufschreibesysteme" in neuer Edition – Anregungen für ein "Literatur als Radiokunst"-Archiv (Archi-LARK)


Kittlers "Aufschreibsysteme" in neuer Edition – Anregungen für ein "Literatur als Radiokunst"-Archiv (Archi-LARK)

Eine postfaktisch-produktive Darstellung des von Merve unternommenen Unterfangens, Friedrich Kittlers Begriff der "Format-" bzw. "Materialgerechtigkeit" für gerade archivalisch-editorische Belange neu ernst zu nehmen (1), erscheint im Merkur (2) zu einem bemerkenswerten Zeitpunkt: Nachdem das Literaturarchiv Marbach die Langzeitarchivierung von Netzliteratur und literarischen Weblogs bereits im Jahr 2018 "vorübergehend" einfror (3) und von DILIMAG (4) dieser Tage die Nachricht von dessen Einstellung kommt (5), wird das u. A. dort Erarbeitete am geeigneten Gegenstand fruchtbar. 

Vielleicht kann dieser Befund eine methodologisch und ideell relevante Basis für die Entwicklung des Archi-LARK-Projektes (6) abgeben? 


Stichworte: Netz statt Datensilo, Anknüpfungpunkte zu anderen Systemen; Durchlässigkeit; Objekt-, Format- und Materialerechtigkeit; hybrides Archiv; Langzeitarchivierun;, Daten und Kontexte; Nachlassbewusstheit; 


Guido Graf Wenn ich auf das Feld der Gegenwartsliteratur schaue, haben wir ja jetzt schon eine ganze Reihe von Autor:innen, wie Barbara Köhler, Thomas Meinecke, Marcel Beyer, Thomas Kling, von dem jetzt schon eine noch ganz traditionelle Werkausgabe erschienen ist, die alle in unterschiedlichen Medien unterwegs sind oder waren. Mit dem Verständnis von Edition und Archiv, über das wir jetzt sprechen, ginge es etwa in einer Werkausgabe von Thomas Meinecke zum Beispiel auch darum, seine Tätigkeit als DJ abzubilden.

Tom Lamberty Da stimme ich Dir vollkommen zu. Auch was an Netzliteratur, Blogs zum Beispiel, an den Literaturarchiven gesammelt wird oder werden sollte, stellt die vor enorme Herausforderungen. Das ist ein hochkomplexes Gebiet und ein aberwitziges Gebiet, auch was das Volumen angeht. Wenn man sich überlegt, was heute an rein digitalen Texten produziert wird und an wie vielen Orten, kann einem flau werden. Trotzdem brauchen wir natürlich Werkzeuge dafür, wie wir damit umgehen, und vor allem ein politisches Verständnis, wie wir damit als Gesellschaft umgehen wollen. (2)


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(1) https://www.merve.de/index.php/book/show/565

(2) https://www.merkur-zeitschrift.de/2023/03/31/silos-systematisch-aufbrechen-gespraech-ueber-friedrich-kittler/

(3) https://www.dla-marbach.de/bibliothek/literatur-im-netz/

(4) https://iza-server.uibk.ac.at/dilimag/homeContent.jsf

(5) https://literaturkritik.at/essay/ein-kurzer-brief-zum-abschied

(6) https://panamproductions.blogspot.com/2023/02/literatur-als-radiokunst-analytisches.html

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Montag, 22. August 2022

35 Jahre Kunstradio und 55 Jahre Österreich 1: Literatur als Radiokunst revisited // Barbara Köhler in "die horen"

 


35 Jahre Kunstradio und 55 Jahre Österreich 1. Aus diesem Anlass rückt das Kunstradio einige der Projekte und Produktionen des Kunstradios der letzten Jahrzehnte in den Mittelpunkt des Juliprogramms.

Literatur als Radiokunst revisited, Kunstradio-Sendung, 24.07.2022 



Liesl Ujvary entwickelte 1999 die Reihe „Literatur als Radiokunst“, die Ujvary 2001 an Chris Zintzen übergab. Dieser kuratierte und betreute das Projekt bis 2014.

Insgesamt umfasst „Literatur als Radiokunst“ 60 Autoren und Autorinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Es entstanden Radiostücke in Zusammenarbeit mit ORF Tonmeisterinnen und Tonmeistern im Hörspielstudio RP4 im Wiener Funkhaus in 5.1 Surround Sound. Die Grundidee war, nur die eigene Stimme als Ausgangsmaterial für ein Hörstück zu verwenden.

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Hier noch einmal das wohlbekannte Manifest (➾ Literatur als Radiokunst) und hier das Verzeichnis von Produktionen, Produktionsnotizen und AutorInnen auf unserer historischen Seite (➾ Literatur als Radiokunst @ zintzen.org/Internet Archive). 

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Die Arbeit mit Stimme und Sprache im legendären RP4 ist von großer Faszination und Magie: Oft war es nur eine kleine Leselampe, die den abgedunkelt-schalltoten Raum von der Fokuszone her – AutorIn, Manuskript und Mikrofon – erhellte. 

Diese Erhellung ist geblieben und manifestiert sich im Vertrauen auf das gültige künstlerische Wort und auf die Wahrheit der rauen, authentischen Stimme (le grain de la voix, Roland Barthes): Barbara Köhler (✝︎), diese wunderbare Künstlerin, Dichtende und Denkende, verfügte über diese "rauque voix". 

Die Magie der Studioarbeit hat sich in einer Fotografie aus dem RP4 erhalten, die eben in den "horen" erschienen ist. 


Barbara Köhler 2006 im "Literatur als Radiokunst"-Studio; Fotografie © Chris Zintzen


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