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Donnerstag, 11. Juli 2024

Theater der Objekte, Ordnung der Phänomene. Zu Christine Ulms Ausstellung „Vom Wurzeln, Grünen, Blühen, Fruchten“ im kunsthaus muerz


 

Christine Ulms Ausstellung „Vom Wurzeln, Grünen, Blühen, Fruchten“ im kunsthaus muerz. Foto © Ivan Bandic


Chris Zintzen: Theater der Objekte, Ordnung der Phänomene.

Zu Christine Ulms Ausstellung „Vom Wurzeln, Grünen, Blühen, Fruchten“ im kunsthaus muerz

 

Mit Fotografien der Ausstellung von Ivan Bandic


                                            Ausstellungstext

                                            kunsthaus muerz

                                             Archiv: C. Ulms Traumstation 2022 


Die Bildhauerin Christine Ulm hat für uns hier im kunsthaus muerz eine künstliche Welt aus natürlichen Dingen und eigenen skulpturalen Objekten zusammengetragen. Die Künstlerin geht mit dieser Inszenierung sozusagen durch die Bücher ihrer über Jahrzehnte zusammengetragenen botanischen Sammlungen. Kontrapunktisch gesetzte und eigene skulpturale Anverwandlungen runden das Bild eines ebenso stetigen wie leisen, immer aber forschenden und sorglichen Dialogs mit den Phänomenen der Welt.

Vorliegende Ausführungen mögen in der Folge etwas konturieren, das man vielleicht nicht auf den ersten Blick sieht: die Diskretion des künstlerischen Gestus. In dieser Diskretion liegt eine besondere Charakteristik von Christine Ulms künstlerischen Verfahren, die den plakativ subjektiven und expressiven Gestus sehr bewusst umgeht. 

 

Metamorphose

Es ist, als würde Christine Ulm mit dieser Schau VOM WURZELN, GRÜNEN, BLÜHEN, FRUCHTEN jener Idee einen Raum geben, die besagt: Die Welt ist vollständig, wir müssen dieser Welt nichts hinzufügen, sondern können die bestehenden Phänomene – am besten in pfleglicher Weise – als Spielmaterial für unser Wahrnehmen, Denken und Ordnen heranziehen. Die Wahrnehmung dieser Vollständigkeit der Naturdinge und das Staunen über deren Perfektion sind durchaus geeignet, die Implikationen nicht nur der eigenen künstlerischen Kreation kritisch zu prüfen: Immanent und konsequent kommunizieren Christine Ulms sorgliche Sammlungen die deutliche Infragestellung der menschlichen Schöpfungshybris vor dem Hintergrund der human verwüsteten Ökosysteme dieser Welt.

Christine Ulm kontert den egozentrisch-lärmenden prometheischen Wahn durch eine künstlerische Wahrnehmung, die allen im Titel genannten Phasen im Lebenslauf einer Pflanze Rechnung trägt, dem WURZELN, GRÜNEN, BLÜHEN und FRUCHTEN. Dies meint „Evolution“ statt „Revolution“ oder gar „Disruption“ (ein Lieblingsbegriff populistischer Polit- und technologischer „Nach-mir-die-Sintflut“-Strategen). Ein solcherart evolutionäres Perspektiv vermag das Prinzip von Veränderung bzw. Verwandlung (Metamorphose) zu integrieren, die jedem Naturding – auch uns selbst – beschieden ist.

Ein derart metamorphischer Ansatz kann auch in der Konzeption und Realisation des eigenen Werks beweglich und flexibel bleiben: Und so hat sich Christine Ulm im Laufe der jüngeren Vergangenheit auf die Inszenierung von temporären Versuchsanordnungen im Rahmen von Ausstellungen spezialisiert.

Indem sie Dinge sammelt und auswählt, präpariert und inszeniert, hat sich die Künstlerin zusehends von der engen Idee des einmaligen, konkreten physischen Werkstücks (vulgo Skulptur oder gar Kunstwerk) emanzipiert, um sich sukzessive einer Form der diskreten Inszenierung mit Aspekten der Sozialen Skulptur zuzuwenden. Solcherart wird aus dem Werk-Stück ein Werk-Raum, der – hier sei eine Begrifflichkeit vorgeschlagen – als Diskretes Theater der Objekte fungiert.

 

Ausstellung als Diskretes Theater der Objekte

Sie werden sich gewiss an die Schau Weitergeben (2021) in diesem Haus erinnern: Damals ordnete die Künstlerin Werkzeuge und andere Gegenstände aus Nachlass und Garten des Vaters in den Ausstellungsräumlichkeiten an. Die künstlerische Geste bestand damals nicht nur in der Auswahl und Anordnung der Objekte, sondern in der Ermunterung an die Ausstellungsbesucher*innen, aus dieser Sammlung nun ihrerseits Objekte auszuwählen – und mit nach Hause zu nehmen. Die Modalität von „Kunst“ besteht in dieser Situation im Gestus und im Vollzug von „Gabe“, „Weitergabe“ und „Geschenk“.

Ähnlich direkt nahm die Künstlerin auf die Ausstellungsbesucher*innen Bezug, als sie 2022 im Wiener Projektraum Mag3 das Environment einer Traumstation arrangierte: Auch in diesem Zusammenhang inszenierte die Künstlerin mit sparsamsten Mitteln – der Positionierung alltäglicher, allerdings künstlerisch diskret präparierter Gebrauchsgegenstände  – einen Traumraum,  welcher die Betrachtenden in deren eigene Fantasiewelt entführte.[1]

Das angesprochene „Leise“ oder „Taktvolle“ dieser Inszenierungen meint einerseits den nachdenklich-kontemplativen oder gar forschend-untersuchenden Zug, der diesen Arrangements innewohnt. Als Auf- und Ausstellung von Gegenständen unter Verzicht auf starke Effekte bleibt dieses „Theater“ ein wohltuend ruhiges: Solcherart mag der von der Künstlerin subtil gestaltete Raum dazu beitragen, neue Räume in der Wahrnehmung der Betrachtenden emergieren zu lassen.

 

Erschließende Subjektivität

Hervorzuheben ist das Bekenntnis der Künstlerin zur Subjektivität – zu einer Subjektivität freilich, die das Wort „ich“ nicht als Besonderheit vermarktet. Christine Ulm bringt die eigene Subjektivität, ihr Erleben und Erinnerung auf einen Punkt, den sie mit uns allen teilt: Berührbarkeit, Belangbarkeit und Sorglichkeit. Auf diese Weise kann Christine Ulm „ich“ sagen und Persönliches zeigen, ohne uns Betrachtende durch Bekenntnishaftigkeit oder Indiskretion zu belasten.

Wenn die Künstlerin in dieser Ausstellung etwa eine von deren Vater im Zuge von Wanderungen aufgenommen Alpen-Blumen als Dia-Serie zeigt, können wir diese „Found Footage“ aus Privatbestand im Sinne eines in seiner Aussagekraft über das nur Private hinausreichenden Dokuments beachten: Das mediale Dokument trägt – darin übrigens den historischen Pflanzenpräparaten verwandt – einen historischen Index, vermag also auch mit seinen motivischen, ästhetischen und medienspezifischen Eigenschaften aussagekräftig zu sein. 

Die Fotografien und Schriften, Aufzeichnungen und Artefakte mögen – als etwas menschlich Gemachtes, Hergestelltes und Fabriziertes – prima Vista eine Differenz zum pflanzlich Gewachsenen, Erblühten oder Gefruchteten aufweisen. Vielleicht aber wäre es allerdings an der Zeit, die überlieferte Opposition von „Natur“ und „Kultur“ zugunsten einer realistischeren und produktiveren Perspektive zu revidieren.

Denn wenn wir beginnen, den Naturcharakter des von uns Hergestellten – nämlich, Objekt von Veränderungsprozessen (Alterung, Korrosion, Zersetzung) zu sein –, ebenso in unser Denken miteinzubeziehen wie die Anerkennung jener „Leistung“, die eine Pflanze im Laufe eines Lebenszyklus‘ vollbringt, würden wir vielleicht nicht so achtlos und ausbeuterisch mit den Naturdingen umgehen und nicht derart fragwürdige und schädliche Dinge produzieren.

 

Christine Ulms Ausstellung „Vom Wurzeln, Grünen, Blühen, Fruchten“ im kunsthaus muerz. Foto © Ivan Bandic

 

Sammlung: Serielle Muster und immanente Kritik

Die über vier Jahrzehnte und drei Klimazonen hinweg aufgelesenen Kollektaneen der Bildhauerin machen den gesellschaftlichen Wert von Kunst als Medium der Welterschließung und -ordnung sinnfällig. Kompetenz entsteht auf dem Wege des systematischen In-den-Blick-Nehmens und des Wahr-Nehmens: Partikel und Phänomene ordnen sich zu Mustern. Ein solches Muster-Bilden und die daraus resultierende Serialität sind von hohem ästhetischem Reiz, erzählen aber auch Geschichten und vermitteln Erkenntnisse. Dies geschieht, wohlgemerkt, nicht laut und spektakulär, sondern diskret, vielstimmig und: in der Wahrnehmung der Betrachtenden.  

Wir kennen Walter Benjamins melancholisches Argument, dass weder Leben, Wissen, Werk noch Sammlung jemals zu einem Ende oder zu einer vollständigen Erfüllung kommen können. Wir wissen aus den Schriften dieses Autors und Kulturphilosophen aber auch, dass Benjamin – selbst leidenschaftlicher Sammler – die Marx’sche Analyse der kapitalistischen Akkumulation wiederholt im Zusammenhang mit dem Thema des Sammelns in seinem Passagen-Werk notierte. Gerade dieses im französischen Exil und in oft verzweifelter Lage entstandene Werk belegt, wie Benjamin den weltwachen und differenzierungsfreudigen Sammlerblick in eine stupende Fähigkeit der Wahrnehmung und Formulierung von Phänomenen transformierte. Die Attitüde des Sammelns gelangte solcherart zu einer besonders geschulten, schöpferischen und philosophischen Fruchtbarkeit. 

Übrigens teilt auch die Künstlerin Christine Ulm die oben angesprochene kritische Wahrnehmung und Reflexion einer in der westlichen Welt längst zerstörerisch gewordenen Überkonsumption an Waren, Ressourcen und „Natur“. Ulms Gegenentwurf liegt hier vor ihnen in den Vitrinen und auf der Hand: Es ist das Sammeln, das Verarbeiten, das Genieß- und Haltbarmachen von allem, was da sprießt und wächst.

 

Kunst und Kochen als Gabe

Denn das Kochen funktioniert ja ein Stück weit wie die Kunst: Wir sammeln und bearbeiten Objekte der äußeren Welt und initiieren eine Verwandlung. So, wie die Kunst Anschaulichkeit produziert und uns zu Erkenntnissen leitet, so geschieht beim Einkochen eine Metamorphose von Fallobst, Wildbeeren, Samen und Stängeln in etwas kulinarisch Schmackhaftes und physiologisch Nahrhaftes. Die Künstlerin als derart kulinarische Zaubernde ist in dieser Schau mittels eines kleinen Kochbuchs sowie in einem Video präsent, das sie bei der Zubereitung von Bitterorangen zeigt. 

 

Aber da ist noch etwas anderes, was Kunstproduktion und Kochen verbindet: So, wie Gekochtes, Verarbeitetes oder haltbar Gemachtes erst durch das Essen und Teilen und Weitergeben Sinn stiftet, genauso vollendet sich eine künstlerische Versuchsanordnung erst durch dessen Betrachterinnen und Betrachter. 

 

In diesem Sinne sei die Ausstellung nun für Sie, werte Anwesende, eröffnet.



[1] Vgl. C. Zintzen: Christine Ulms ‚Traumstation‘ oder: Nachrichten von der Rückseite des Mondes, 22.10.2022, DOI: 10.13140/RG.2.2.33490.43208, https://www.researchgate.net/publication/368477440_Christine_Ulms_Rauminstallation_Traumstation_oder_Nachrichten_von_der_Ruckseite_des_Mondes










Donnerstag, 27. Juni 2024

Termin: C. Ulm – Vom Wurzeln, Grünen, Blühen, Fruchten – kunsthaus muerz, 29.06.2024

 



 

 ➾ Druckfassung des Einleitungstextes: Theater der Objekte, Ordnung der Phänomene. Zu Christine Ulms Ausstellung „Vom Wurzeln, Grünen, Blühen, Fruchten“ im kunsthaus muerz

➾ Archiv: Traumstation oder: Nachrichten von der Rückseite des Mondes. Zu Christine Ulms Environment im Projektraum Mag3 (Oktober 2022). 


Ausstellung: Christine Johanna Ulm

VOM WURZELN, GRÜNEN, BLÜHEN, FRUCHTEN

kunsthaus muerz. Eröffnung: 29.06.2024, 16 Uhr

Zur Ausstellung: Chris Zintzen, Kulturwissenschafter und Autor

„Natur“ in einer persönlichen und autobiografisch codierten Sammlung: Die über vier Jahrzehnte und drei Klimazonen hinweg aufgelesenen Kollektaneen der Bildhauerin Christine Johanna Ulm machen den gesellschaftlichen Wert von Kunst als Medium der Welterschließung und -ordnung sinnfällig. Kompetenz entsteht auf dem Wege des systematischen In-den-Blick-Nehmens: Phänomene ordnen sich zu Mustern. –

Der Rekurs auf autobiografisches Wahrnehmen ist dabei nur eine Geschichte: Eine andere Erzählung betrifft das leidenschaftliche Sammeln, Präparieren, Verarbeiten und Haltbarmachen von genießbaren Wildkräutern und -früchten, welches die Künstlerin und den Einleitungsredner verbindet.








 

 




 

Sonntag, 5. November 2023

Termin: TWIST – Ausstellungsgepsräch mit Mara Mattuschka: 8. November 2023

 Update: Bei der Eröffnung tragen Galerist Hans Knoll und die Künstlerin ein "Selbstinterview" Mara Mattuschkas vor. Das Ausstellungsgespräch muss aus Krankheitsgründen leider entfallen.

 

1960 Wien, Gumpendorfer Strasse 18, 19 Uhr
 
Mara Mattuschka: TWIST, 2023
Mara Mattuschka: TWIST, 2023

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Sonntag, 11. Juni 2023

Katalog-Präsentation theRED ARCHIV [expanded] : 15. Juni @ Projektraum Mag3, Wien

 

KATALOG-PRÄSENTATION

// theRED ARCHIV [expanded] – DIE SAMMLUNG //*

   am 15.06.2023 im projektraum MAG3/ 1020 Wien 

   18-21 Uhr

* ☞ Hier geht es zur Ausstellung


Katalog THE RED, tranferedition Wien 2023







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Dienstag, 9. Mai 2023

THE RED – Ausstellung, Katalog, Arbeiterzeitung (Max Winter)

 


Chris Zintzen/panAm productions: THE RED – Ausstellung, Katalog, Arbeiterzeitung (2023)

Chris Zintzen/panAm productions: THE RED – Ausstellung, Katalog, Arbeiterzeitung (2023)



Ausstellung: theRED ARCHIV [expanded]

GALLERYGNAEGY,  Dannenberg/Elbe (D);

17.05.–11.06.2023.

Die ursprünglich als Mail-Art-Projekt von Gue Schmidt initiierte Sammlung von Kunstwerken aller Genres zeigt sich in ihrer seither beträchtlich expandierten Vielgestaltigkeit. 


Beitrag: Chris Zintzen: Arbeiter-Zeitung, 12.11.1901 + Supplement (Beiblatt) – Found Footage on paper, adapted 2022. 

Im Katalog: theRED ARCHIV [expanded] – Die Sammlung/The Collection, hg. v. Gue Schmidt. Wien: transferedition 2023, S. 150 (Kat. No. 150–151).

Präsentation des Katalogs: 15. Juni 2023, 18–21 Uhr

Mag3, Schiffamtsgasse 17, 1020 Wien


Chris Zintzen/panAm productions: THE RED – Ausstellung, Katalog, Arbeiterzeitung (2023)



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Donnerstag, 15. Juli 2021

Chris Zintzen: Bodenlose Kisten – Raum als Objekt und Lücke | Zur Ausstellung Lotte Lyon: Hard Opening

 

Chris Zintzen: Bodenlose Kisten – Raum als Objekt und Lücke | Zur Ausstellung Lotte Lyon: Hard Opening


Lotte Lyon, Ausstellung Hard opening
mag3, 1020 Wien. Eröffnung 09.07.2021

Wir Kultuwissenschafter und Textproduzenten beneiden die Bildhauer: Wir schaffen Wortketten und unendliche Satzschlangen auf dem platten Papier und füllen diese in die leicht stapelbaren Container der Buchkultur. Selten wird es uns mit unseren Hervorbringungen gelingen, in den begehbaren, in den haptischen und in den körperlichen Raum vorzudringen. 

Bildhauer dahingegen wohnen und leben und arbeiten in Raum, ja, sie arbeiten ganz wesentlich mit der Dimension des Raums. Im Raumgreifenden verwirklichen sie sich: Gestatten, ich bin so frei: ich nehme mir den Raum.

Raum und Gestaltung

Im Thema des Raums und dessen Gestaltung (bzw. in dem Thema von “Gestaltung im Raum”) berühren einander die Disziplinen von Bildhauerei und Architektur. Gleich daneben wohnen die perspektivischen Traditionen der Zeichnung und die Kompositionsprinzipien der Malerei.

Für all diese Modalitäten der Behandlung, Darstellung, Gestaltung und Modellierung des Raums gilt allerdings eine fundamentale Regel: Raum wird erst durch seine Begrenzung und Rahmung wahrnehmbar. Schauen Sie sich um: Dieser Galerie- und Projektraum, wird durch seine Wände begrenzt und durch seine Öffnungen strukturiert: Türen und Fenster geben diesem Raum seine besondere Gestalt; anhand der Proportionen von Boden, Wänden und Decke erleben wir und erfahren wir den Raum und dessen Kubatur.

Wir selbst befinden uns als Körper in diesem Raum: Unsere eigene Körperlichkeit und das Verhältnis dieser körperlichen Dimension zur Dimension dieses Raumes bestimmen wesentlich, wie wir den uns umgebenden Raum wahrnehmen. Körper und Raum sind also wechselseitig aufeinander bezogen und sind von Begrenzungen (Rahmungen) bestimmt.

Vertikale Perspektive

Heute haben wir das Glück, neue skulpturale Arbeiten der Künstlerin Lotte Lyon in diesem Raum wahrnehmen zu dürfen. Wir sehen ein Arrangement von scheinbar einfachen Holzobjekten und wir sehen einen Paravent, einen Raumteiler aus Lochplatten. 

Vorangegangene Arbeiten der Künstlerin waren als lineare oder als flächige Gestaltungen auf Wänden aufgebracht oder waren als kubische Objekte auf den Boden platziert. in dieser Ausstellung aber montiert Lotte Lyon ihre Objekte an der Wand und bespielt damit die Vertikale. Die Objekte selbst haben das massive Aggregat der Bodenhaftung abgestreift: Als durchbrochene, gerahmte Rechtecke bieten diese Objekte jetzt neue Perspektiven.

Auffallend ist die lakonische Nüchternheit der Objekte. Die formale und materielle Reduktion dieser modellhaften Gestaltungen lädt dazu ein, über einen graduellen Vermittlungsprozess zwischen den planlinearen Zeichnung einerseits, dieser reduktionistischen Form der Skulptur und andererseits den Kubatur-Realisationen der Architektur nachzudenken. Und darüber, was Skulptur ist, in welche kulturellen und ästhetischen Praxen das Skulpturale eingebunden ist und welche Erwartungen wir üblicherweise dem Medium der Skulptur entgegenbringen. 


Chris Zintzen: Bodenlose Kisten – Raum als Objekt und Lücke | Zur Ausstellung Lotte Lyon: Hard Opening

Skulptur als Medium

Auf diskrete Weise lenkt Lotte Lyon unseren Blick auf das Medium der Skulptur, die wir uns orthodoxer Weise als Festkörper im Raum, als zentralachsiales Gebilde, als Kunstwerk mit Schwerkraft vorstellen. Hier aber sehen wir etwas anderes: Wir sehen luftige Gebilde mit Ein- und Durchblick, wir sehen vertikal angebrachte Schau-Kästen, die der Schwer-Kraft des Skulpturalen entraten. Zudem verwandeln diese Objekte aufgrund ihrer visuellen und konstruktiven Transparenz ein traditionell tonnenschweres Thema der Kunstwahrnehmung in ein anregendes Spiel und suggerieren:

It is not the meaning of a work of art that is its primary message. It is the form of the artwork that is its primary message. 
Die primäre Botschaft eines Kunstwerks besteht nicht in seiner (möglichen) Bedeutung, sondern in seiner Form.

Das Geschäft des Deutens und Be-Deutens wird sekundär, denn Form an sich bedeutet ja etwas: Sie bedeutet Form, die es zu betrachten, die es zu erkunden, die es womöglich auch zu berühren und zu ertasten gilt. Anders als es die Interpretationsmaschinerie suggeriert, schöpft die Kunst ihre Seinsberechtigung nicht daraus, etwas zu bedeuten, eine “meaning” zu haben, ein Narrativ zu erstellen. Kunst ist keine Dienstleistung für “Sinn” oder “tiefere Bedeutung”.

Kunst ist, was sie ist – wie eine Blume ist, was sie ist.

Lakonische Objekte

In dieser Ausstellung der Form als Objekt der Form inszeniert Lotte Lyon einen Dialog zwischen BetrachterIn und Objekt. Die Objekte sind keine Multiples, sondern individuell angefertigte Stücke mit je individuellen Maßen. In wechselnden Variationen spielen die Einzelobjekte mit dem Motiv der Rahmung, mit der Idee des Kastens, mit dem Sujet der Leerstelle (Mallarmés blanc) sowie mit Fügungen aus rechten Winkeln und Schrägen bzw. Diagonalen.

Listig konfrontiert uns Lotte Lyon mit Offenheiten und Geschlossenheiten: Was wir sehen, ist oft zunächst einmal sozusagen das Brett vor dem eigenen Kopf. Denn trivialerweise erinnern uns diese Objekte – zumal in Augenhöhe und in Reichweite angebracht – an bekannte Dinge aus unserem Alltag: Fenster, Schränke, Kästchen, usw. Und doch hat jedes einzelne Objekt eine kleine Verfremdung eingebaut, die uns darauf aufmerksam macht, dass uns diese offenbar so durchschaubaren Objekte paradoxerweise mit etwas konfrontieren, das wir noch nie gesehen haben.

Lotte Lyons lakonische Objekte lenken das Augenmerk darauf, in welch hohem Maße der Raum nur anhand seiner Umgrenzungen wahrnehmbar ist, wie sehr das Gestalten das Nicht-Gestalten miteinschließt und wie sehr nicht zuletzt das Sagen und das Zeigen auf dem Schweigen, auf der Lücke und auf der Leerstelle beruhen. 

Lyons Arbeiten schärfen unseren Sinn für die Verschränkung des “Sehens, was ist” mit dem “Sehen, was nicht ist”. 

Sehen wir also zu, Lotte Lyons Objekte anzusehen.

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen.



Chris Zintzen: Bodenlose Kisten – Raum als Objekt und Lücke | Zur Ausstellung Lotte Lyon: Hard Opening










Montag, 17. August 2020

Ausstellung "Verdinglichung" - Last Week | Last Call


Die Ausstellung ➾"Verdinglichung" (Chris Zintzen: Fotografie, Gue Schmidt: Installation, Fritz Fro) geht in die letzte Woche: 
Die Schau ist Dienstag bis Freitag, 17–20 Uhr im Projektraum MAG3, Schiffamtsgasse 17, 1020 Wien, zu sehen. 

Schmidt/Zintzen freuen sich, Sie im Rahmen der informellen Finissage am Freitag, den 21.08.2020 begrüßen zu dürfen!





Ausstellung Verdinglichung © Chris Zintzen, Gue Schmidt, Fritz Fro @ MAG3, Wien. Foto © Chris Zintzen @ panAm productions 2020

Ausstellung Verdinglichung © Chris Zintzen, Gue Schmidt, Fritz Fro @ MAG3, Wien. Foto © Chris Zintzen @ panAm productions 2020

Ausstellung Verdinglichung © Chris Zintzen, Gue Schmidt, Fritz Fro @ MAG3, Wien. Foto © Chris Zintzen @ panAm productions 2020

Ausstellung Verdinglichung © Chris Zintzen, Gue Schmidt, Fritz Fro @ MAG3, Wien. Foto © Chris Zintzen @ panAm productions 2020














Walter Baier: Eine Wissenschaft vom gesellschaftlichen Menschen.

Rede zur Eröffnung der Ausstellung „Verdinglichung“, Mag3, Wien, 28.07.2020

Verdinglichung. Ausstellung Chris Zintzen, Gue Schmidt, Fritz Fro @ Mag3, Wien, Juli/August 2020


Danke für Ihre Einladung!
Ich bin kein Kulturwissenschaftler oder Kunsttheoretiker, und will auch nicht als solcher dilettieren, sondern ich bin Ökonom. Ich weiß nicht, ob Sie mich gerade deswegen zu dieser Ausstellungseröffnung eingeladen haben, aber ich habe die Einladung vor allem deswegen angenommen. Wir befinden uns möglicher Weise am Beginn einer weltweiten ökonomischen Krise und ich ergreife daher gern die Gelegenheit, über Fragen der Ökonomie, das heißt, die Ökonomisierung unseres Alltags und unserer Persönlichkeiten zu reden. Exakt dies aber ist die Frage der Verdinglichung.

Der Begriff der Verdinglichung stammt von dem ungarischen Philosophen Georg/György Lukács, der 2016 dadurch geehrt wurde, dass das Archiv seiner Werke und Manuskripte durch das semifaschistische Orbàn-Regime geschlossen wurde. Ähnliche postume Ehrung wurde übrigens 2018 auch Rosa Luxemburg zuteil, deren Gedenktafel von ihrem Geburtshaus in Zamosc durch die polnischen Behörden entfernt wurde.

Zu Georg Lukàcs
„Selig sind die Zeiten, für die der Sternenhimmel die Landkarte der gangbaren und zu gehenden Wege ist und deren Wege das Licht der Sterne erhellt.“, so beginn er seine 1916 publizierte Theorie des Romans.

Der Verlust der unmittelbaren Lesbarkeit der Existenz, das heißt das Auseinanderfallen von Wesen und Leben für den modernen bürgerlichen Menschen, beklagt der unter dem Einfluss seines Lehrers Georg Simmel und der Lebensphilosophie stehende Lukács. Dies bildet den Ausgangspunkt seiner Romantheorie, vielleicht seines gesamten Schaffens.
Ich spreche heute vor allem über den in Geschichte und Klassenbewusstsein veröffentlichten Essay Die Verdinglichung und das Bewusstsein des Proletariats. Sieben Jahren waren seit der Veröffentlichung der Theorie des Romans vergangen; der Erste Weltkrieg hatte 15 Millionen Tote gefordert, den Zusammenbruch die alte europäische Staatenordnung bestand nicht mehr, und in Russland hatten zwei Revolutionen stattgefunden, die die Bolschewiki an die Macht brachten. Lukács war Mitglied der Kommunistischen Partei Ungarns und hatte auch der kurzzeitigen ungarischen Räteregierung angehört. Alles dies spiegelt sich in dem Buch wieder, dessen Hauptstück der Verdinglichungsessay bildet.

Der Inhalt des Texts besteht vor allem in seiner peniblen Rekonstruktion der Marx‘ Werttheorie, und hier des 4. Abschnitts des ersten Kapitels Der Fetischcharakter der Ware und sein Geheiminis. Tatsächlich bildet dies auch den philosophischen und methodologischen Kern des Kapital.

"Wirtschaft"
Worin besteht seine umwälzende Bedeutung für die Sozial- und Kulturwissenschaften?
Suchen Sie die Begriffsdefinition für das Wort Wirtschaft in Wikipedia, finden Sie, dass Wirtschaft die Gesamtheit aller Einrichtungen und Handlungen darstelle, die der planvollen Befriedigung der Bedürfnisse dienen. Selbiges in jedem beliebigen Lehrbuch der Wirtschaftswissenschaften: Hier wird Wirtschaft zumeist als der Umgang mit knappen Gütern definiert.

Lassen Sie sich nicht von dem gewaltigen Apparat mathematischer und statistischer Methoden irritieren, die auf dieser Definition aufbauen. Ihr Kern besteht darin: Wirtschaft wird uns als die Beziehung des einzelnen Menschen zu den Dingen, die er für sein Leben benötigt, und zu den technischen Hilfsmitteln, die er zu ihrer Beschaffung/Produktion in Gang setzt, vorgestellt. Ökonomie ist die Wissenschaft von der rationellen Beschaffung der überlebenswichtigen Gebrauchswerte. Eine Technik, wenn Sie so wollen.

Marx: Arbeitsteilung, Tauschhandel
Marx bestätigt einerseits diesen Gedanken, erkennt in der Produktion von Gebrauchswerten eine Voraussetzung gesellschaftlichen Lebens, fragt aber: Was geht in einer Gesellschaft vor, deren Arbeitsteilung durch Tauschhandel vermittelt ist? Hier produzieren Menschen nicht, um den eigenen Bedarf zu decken, oder um mit anderen zu teilen, sondern befriedigen ihre Bedürfnisse, indem sie für die Befriedigung der Bedürfnisse anderer produzieren und ihr Produkt gegen andere Ware oder Geld auf dem Markt tauschen.
Um austauschbar zu sein, müssen die unterschiedlichen Güter, mit ihren spezifischen Nützlichkeiten/Gebrauchswerten auch Träger eines Gemeinsamen sein. Als diese gemeinsame Substanz aller Güter erkennt Marx, dass sie Mengen gesellschaftlicher, der Form nach individuell geleisteter Arbeit enthalten, die sich durch den Tausch als Beitrag zur Gesellschaft erweisen.
Den Tauschenden erscheint das zwischen ihnen bestehende gesellschaftliche Band als über die Dinge, die sie tauschen, vermittelt, so Marx‘ These, die aus einer Wirtschaftswissenschaft, die sich mit Sachen beschäftigt, eine Wissenschaft macht, die die sozialen Verhältnisse untersucht, die die Menschen bei der Produktion ihrer Bedarfsgüter eingehen: Eine Wissenschaft vom gesellschaftlichen Menschen. Marx bezeichnet dieses In-den-Dingen-Erscheinen der menschlichen Beziehungen als Warenfetischismus und Lukács als Verdinglichung. Verdinglichen ist ein transitives Verb: Wer oder was wird verdinglicht?

Warenfetischismus und Verdinglichung/Entfremdung
Wie Marx im Kapital schreibt: „Das Geheimnisvolle der Warenproduktion besteht also einfach darin, dass sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eigenen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt, daher auch das gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten zur Gesamtarbeit als ein außer ihnen existierendes Verhältnis von Gegenständen.“ (Marx: Kapital, Bd. 1, S. 86)

Die hohe Wertschätzung, der sich Lukács‘ Essay erfreut, verdankt sich der Sensibilität, mit der er über die Folgen, die diese Konstellation für die Subjekte hat, nachdenkt:
„So wie das kapitalistische System sich ökonomisch fortwährend auf höherer Stufenleiter produziert und reproduziert, so senkt sich im Laufe der Entwicklung des Kapitalismus die Verdinglichungsstruktur immer tiefer, schicksalhafter und konstitutiver in das Bewusstsein der Menschen,“ schreibt er (Lukács: Geschichte und Klassenbewusstsein, S.104).

So erweist sich aufgrund der „scheinbar restlosen. zutiefst in das Physische und Psychische hineinreichenden Rationalisierung der Welt der Warenfetischismus als ein spezifisches Problem unserer Epoche“ (Lukács: Geschichte und Klassenbewusstsein). Womit wir auch an die in der Theorie des Romans aufgeworfenen Problematik anknüpfen können.

Es liegt mir fern, die Bedeutung von Lukács-Verdinglichungsessay zu relativieren. Erwähnt muss aber werden, dass sich sein Alleinstellungsmerkmal innerhalb der zeitgenössischen marxistischen Literatur auch einem speziellen Umstand der Veröffentlichungsgeschichte des Werks von Karl Marx verdankt: Erst 1932, sechs Jahre nach Geschichte und Klassenbewusstsein erschienen in Moskau die auch als Pariser Manuskripte bekannten Ökonomisch-Philosophischen Manuskripte von 1844, veröffentlicht und herausgegeben vom Marx-Engels-Institut, dessen Leiter David Borissowitsch Rjasanow gemaßregelt und 1938 als Volksfeind zum Tode verurteilt wurde. 1939 bis 1941 erschienen schließlich die Grundrisse der Politischen Ökonomie.

Von beiden Werken ging ein mächtiger Impuls für die Erneuerung des Marxismus auf undogmatischer Grundlage aus. Vielfach nimmt der junge Marx in diesen so spät veröffentlichten Werken von Lukács entwickelte Thesen vorweg:
„An die Stelle aller physischen und geistigen Sinne ist daher die einfache Entfremdung aller dieser Sinne, der Sinn des Habens getreten“. (Marx: Pariser Manuskripte,  S.80).

Wir finden auch darüber Hinausgehendes: Während bei Lukács die Verdinglichung im Sinnes eines für die bürgerliche Epoche charakteristischen Zustandes vorgestellt wird, beschreibt bereits der junge Marx in den Pariser Manuskripten, mit dem (dem Hegel’schen Vokabular entlehnten) Begriff der Entfremdung eine Dynamik, die sich aus Kauf und Verkauf der speziellen Ware „Arbeitskraft“ gegen Arbeitslohn ergibt, und deren Substrat der Mehrwert und dessen Akkumulation auf der Seite der Kapitalbesitzer bildet.
„Der Arbeiter wird eine umso wohlfeilere Ware, je mehr Waren er schafft. Mit der Verwertung der Sachenwelt nimmt die Entwertung der Menschenwelt in direktem Verhältnis zu. Die Arbeit produziert nicht nur Waren; sie produziert sich selbst und den Arbeiter als eine Ware.“ (Marx: Pariser Manuskripte, S.52).
[...]

Weltdokumentenerbe | Weltmarkt
Sie werden Sich jetzt vielleicht denken, das ist wohl Weltliteratur. Und tatsächlich wurde ja das Kommunistische Manifest und das Kapital 2013 von der UNESCO als Teil des Weltdokumentenerbes anerkannt. Was aber haben wir davon, zu wissen, dass die bürgerliche, also die herrschende Ökonomie die Bewegung von Sachen beschreibt, unter deren Herrschaft die Menschen stehen, während es bei Marx um die gesellschaftlichen Verhältnisse geht, die die Menschen eingehen, und die sie an einer Emanzipation hindern. – Als Antwort möchte ich eine Empfehlung aussprechen: Wann immer Sie in der Zeitung Begriffe lesen wie „Aktienkurs“, „Investitionen“, „Geldmenge“ „Staatsschulden“, „Quantitative Easing“ etc., seien Sie sich der Tatsache bewusst, dass diese Aggregate Ihr tägliches Leben beherrschen, und zwar in einem Ausmaß, über das Sie  sich nur selten Rechenschaft ablegen. Bedenken Sie darüber hinaus folgendes Zitat von Karl Marx:
„Ihre eigene gesellschaftliche Bewegung besitzt für sie die Form einer Bewegung von Sachen, unter deren Kontrolle sie stehen, statt sie selbst zu kontrollieren.“ (Marx: Das Kapital, Bd. 1., S.89)

Bedenken Sie, wenn Sie Wirtschaftsfachleuten zuhören, dass der heutige Kapitalismus ein weltumspannendes System geworden ist und zwar in einem Ausmaß, das weder für Marx noch für Lukács vorstellbar war.

Letztes Jahr wurden an den weltweiten Devisenbörsen pro Tag 6.590 Milliarden USD umgesetzt, hier schließen sich an die Zahl 6.590 neun Nullen an, und ich bin froh, dass diese Zahl pro Tag angegeben wird, da sie – mit 365 multipliziert – nur schwer zu artikulieren wäre.
Breaking News: Vergangenen Freitag vermehrte sich Jeff Bezos‘ Vermögen durch Bewegung an den Börsen um 12 Milliarden USD.
Denken Sie an die Gewalt und die Tragödien, die in dieser Bewegung von Sach- und Geldwerten inbegriffen sind: Umweltzerstörung, Land Grabbing, Vernichtung der Tropenwälder, Rüstungsproduktion und Rüstungsexporte, Drogenhandel, Versklavung von weltweit über 40 Millionen Menschen und vieles Andere.

Wo aber bleibt das Optimistische?
Es besteht darin, dass es soziale Beziehungen sind, die hinter der Bewegung der Sachen erscheinen. Beziehungen, die für Veränderung offen sind. Das heißt, es geht darum, diese Beziehungen aus ihrer Verdinglichung herauszulösen, umzuwandeln, also in humane, bewusst gesteuerte und demokratisch geregelte, menschliche Beziehungen zurück zu drehen.
Die heutigen weltweiten Krisen lassen das immer mehr zum unabweislichen Imperativ des Überlebens werden.
Wie das gehen kann? Dies wäre wohl das Thema für Ihre nächste Ausstellung!

Literatur
  • Georg Lukács: Theorie des Romans Ein geschichtsphilosophischer Versuch über die Formen der großen Epik. Berlin 1963.
  • Georg Lukács: Geschichte und Klassenbewusstsein. Studien über die marxistische Dialektik, Malik Verlag, Berlin 1923.
  • Karl Marx: Das Kapital Bd.1. Marx-Engels-Werke (MEW) Dietz Verlag Berlin 1974
  • Karl Marx: Ökonomisch-Philosophische Manuskripte, Pariser Manuskripte 1844. In: Texte zur Methode und Praxis, Rowohlt, 1966.


Walter Baier
Jg. 1954, Wirtschaftswissenschafter, bis 2006 Vorsitzender der KPÖ und Herausgeber der Volksstimme, Gründungsmitglied der Europäischen Linken, seit 2006 Koordinator des europäischen Forschungs- und Bildungsnetzwerks „transform! europe – network for alternative thinking and political dialogue“.