Fotografie als Abbild physischer Wirklichkeit, Fotografie als Repräsentation von Realität/Situation/Topografie/Räumlichkeit/Körperlichkeit, Fotografie als Darstellung des So-Seins: Die Konjunktur artifizieller Renderings und digitaler Nach- bzw. Protoschöpfungen, die Instagramatologisierung der visuellen Welt zum unendlichen Strom einer Wisch- und Scroll-Übersprungshandlung und -handhabe (Welt-Bild als trügerische Übereinkunft einer displayhaft vermittelten Touch- und Tapp-Illusion jenseits differenzierter Haptik) hat den fotografischen als poetischen, als sinnstiftenden und als aufgeladenen Moment längst überwuchert.
Die zugemutete Privatheit allerweltlicher Selbstdokumentationen (all things you really don’t want to know) folgt tief internalisierten Regeln von Werbeästhetik bis hin zur buchstäblichen Ein-Schreibung (tagging) von Marken und Labels ins eigene Instagram-Konterfei: Wenn die Haare nur mehr „Syoss“ sind und die Attribute gerade noch Hashtags – Hashtags als Appelle und Schreie an die Welt, das Individuum in einen Schlagwort-Sinnzusammenhang zu integrieren –, kann die existenzielle Isoliertheit des Individuums in „vernetzten Zeitalter“ besonders gut beobachtet werden.
Die aktuelle Weichzeichner-Ästhetik der fotografischen und proto-fotografischen Repräsentanz kaschiert nur mühsam die Brutalität einer Kommunikation, die sich kaum mehr zum Syntagma eines grammatikalisch korrekten Satzes durchzuringen vermag, geschweige denn zu einem SEO-unfreundlichen, SEM-adversen – da komplexen – Satzgefüge von Haupt- und Nebensatz.
Wo der Screenshot an die Stelle des Arguments getreten ist – Beweismittelvorlage in yo’ face –, der einst als wohlerzogen und höflich gegolten habende Konjunktiv als Display-widrig und Readability-mindernd disqualifiziert ist, ist das Nachdenken über Möglichkeiten in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft außer Kredit geraten.
Wo der Screenshot an die Stelle des Arguments getreten ist – Beweismittelvorlage in yo’ face –, der einst als wohlerzogen und höflich gegolten habende Konjunktiv als Display-widrig und Readability-mindernd disqualifiziert ist, ist das Nachdenken über Möglichkeiten in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft außer Kredit geraten.
Ich setze dem meine fotografische Archäologie entgegen als Kollektion von Spuren, als Ortung von Leerstellen, als Raum der konjunktivischen Reflexion dessen, was sein mag und was gewesen sein mag. So, wie die archäologische Situation - im Moment der Auffindung ebenso wie im Prozess der Grabung - wenig proper ist, waren, sind und bleiben meine Fotografien "schmutzig", rau, bisweilen unscharf, ästhetisch anstößig, räudig, wenig dekorativ.
Die Pracht der Vollrekonstruktion im repräsentativen Museum empfinde ich als tot und als dem Aneignungs- und Machtparadigma angehörig. Mich reizt die Skizze, mich reizt das Fragment, mich reizt der offene Zustand vorgefundener und dargestellter Szenarien: Die Spurensuche entspricht und entspringt meinem unbändigen Willen zu(m) Wissen.
Die Pracht der Vollrekonstruktion im repräsentativen Museum empfinde ich als tot und als dem Aneignungs- und Machtparadigma angehörig. Mich reizt die Skizze, mich reizt das Fragment, mich reizt der offene Zustand vorgefundener und dargestellter Szenarien: Die Spurensuche entspricht und entspringt meinem unbändigen Willen zu(m) Wissen.
Spur, Bruchlinie, Fragment, Leerstelle: Ein Wahrnehmungs-, ein Möglichkeits- und ein Gedankenraum, in welchem ich mich und meine Fotografie beheimate. Nicht wenige Leute sagen, meine Fotografie sei im Grunde dies: "Text“.
Nachsatz und Update im August 2024
Heinrich Heine hat irgendwo sinngemäß notiert, dass man Ruine sein müsse, um Ruinen zu verstehen. Wir mögen dabei beruhigt annehmen können, dass dieser unromantische und höchst politische Romantiker dies weniger in einem Sinn notierte, den die heute aktuellen Identitätsdiskurse mit ihren "Ichs" und Einsinnigkeiten planiert haben.
Sondern im Sinne einer aus der Lebenserfahrung kondensierten und geschulten Empathie, für die es naturgemäß das Momentum der Fantasie braucht. David Lowenthals Klassiker "The Past is a foreign country" hat dieses Motiv in jenem Sinne ausformuliert, wie Wissen und Erfahrung kraft der Momente von Fantasie und Empathie eine alte und zugleich neue Welt erzeugen: Dieses alte und neue, dieses vergangene und gegenwärtige, diese offene und versteckte Universum findet sich auf Schritt und Tritt, öffnet zugleich ständig frische und vitale Pfade.
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Triester Straße 85
1100 Wien
errichtet: 1929-1932
Wohnungen: 151
Architekten: Robert Hartinger, Silvio Mohr
errichtet: 1929-1932
Wohnungen: 151
Architekten: Robert Hartinger, Silvio Mohr
Aufnahmen: 20.10.2002
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