Freitag, 30. März 2018

Fraktalgeschichten | Tierbedarf



Hundespielzeug AniOne, "Motivieren", Klangelement, Mittelgroße Hunde. Material: Latex, wiederverwertbar.



Sie ist vierunddreißig, zieht nachts durch die Clubs. Rauchend vor dem Lokal, um fünf Uhr früh, erzählt sie, sie müsse nun heim, Koffer packen. Ein Therapieplatz für Alkoholentzug sei im westlichen Wienerwald für sie reserviert. Wenn es ganz schlimm wird, besorgt sie sich homöopathische Tropfen, des Ethanols wegen. Toll, wie ihr Mann das manage mit den zwei Kindern. 

Die Frau ist Mitte Fünfzig. 1944 in Budapest geboren, war in Wien verheiratet gewesen. Depression. Ein Suizidversuch mit Tabletten scheitert, da diese in die Luftröhre geraten, heftiges Husten und Erbrechen auslösen. Da ihr Bett in der Intensivstation der Psychiatrie  bald benötigt wird, verlegt man sie in die allgemeine Offene Abteilung. Dort wird der Bettlägrigen nur geringe Aufmerksamkeit zuteil, sie liegt wund, schwere Schwären bilden sich und erfordern eine Operation. Von da an liegt sie weiterhin alleine in ihrem abgedunkelten Krankenzimmer, wird allerdings 24 Stunden hindurch videoüberwacht. 

Um bei ständig steigendem Einkommen die Unterhaltspflicht überschaubar zu halten, willigt der Mann in den Wunsch seiner Ehefrau nach baldiger Scheidung ein. Es geschieht und das kinderlose Paar lebt weitere zwei Jahre über den Vollzug der Scheidung hinaus in der gemeinsamen Wohnung zusammen, Luxusurlaube inklusive. In der Folge nehmen in dieser Wohnung elf Katzen und vier Hunde die Stelle des Mannes ein, denn die Frau engagiert sich, wie Viele ihrer Generation, für die Tiere in den sogenannten Tötungslagern an den Ostgrenzen Österreichs. Ihr Unterhaltsbezug beläuft sich nach wie vor auf neunhundert Euro im Monat, zuzüglich der eigenen Pension. Die elegant gekleidete Dame sucht und findet Publikum für ihre Geschichten, indem sie sich - vorgeblich Sonderangebotszettel studierend - mit Hund und halbbeladenem PKW stundenlang vor dem Eingang des Tierbedarfdiscounters aufhält. 








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