Gib mir den Mantel, Martin,
aber geh erst vom Sattel
und lass dein Schwert, wo es ist,
gib mir den ganzen.
Aichinger decouvriert die von oben herab erteilte "milde Gabe" als Bestätigung und Festigung der ökonomischen und strukturellen Machtverhältnisse. Mit seinem jähen Perspektivwechsel zwingt uns dieses Gedicht, mit den Augen des Empfangenden zu sehen und "Mitmenschlichkeit" auf gleicher Ebene einzufordern.
Die Phrase des "auf Augenhöhe Kommunizierens" erscheint mit Aichingers Forderung, Mitleid müsse vom hohen Ross herabsteigen, in neuem Licht. Es geht um Hingabe, statt um Gabe. Es geht um Unmittelbarkeit ohne Kalkül. Es geht darum, auch den vermeintlich Schwachen als Unsresgleichen zu respektieren.
Dies ist nicht nur wider die Kultur der Betroffenheit und wider das Gutmenschentum, sondern auch wider die Spende als Steuervorteil und wider das "Gutsein" als Sprungbrett zum (persönlichen) Paradies.
Wir neigen dazu, uns in unserem Gutsein zu gefallen. Als Buchhalter unserer selbst rechnen wir uns unsere "milden Gaben" selbst am höchsten an. Dies zu erkennen, braucht nicht mehr als die Lektüre von vier Zeilen großer Literatur.