Donnerstag, 31. Mai 2018

Vom Glück im Wasser und Vom Leben in der Kunst | Pinguine in Schönbrunn


© Chris Zintzen. All Rights reserved.

© Chris Zintzen. All Rights reserved.

© Chris Zintzen. All Rights reserved.


Die Pinguine im Tiergarten Schönbrunn erinnern an das alte poetische Motiv des Albatros
Zu Lande ein wenig ungeschlacht, statuarisch, fremd. - Im Wasser dahingegen wieselflink, quecksilbrig wendig, gewitzt spielend. 

Dieses Spiel als souveräne Anwendung der individuell angemessenen Fähigkeiten in verschwenderischer Verausgabung ist ein anschauliches Beispiel für den naturgemäss notwendigen Raum der Kunst.

In Charles Baudelaires "L`Albatros" sind es gerade die für die souveräne Flugleistung bestimmten Schwingen, die dem Tier bei der Fortbewegung zu Lande hässlich und fast schon gefährlich im Wege sind.

✩✩✩✩✩

L'Albatros

Souvent, pour s'amuser, les hommes d'équipage
Prennent des albatros, vastes oiseaux des mers,
Qui suivent, indolents compagnons de voyage,
Le navire glissant sur les gouffres amers.

À peine les ont-ils déposés sur les planches,
Que ces rois de l'azur, maladroits et honteux,
Laissent piteusement leurs grandes ailes blanches
Comme des avirons traîner à côté d'eux.



Ce voyageur ailé, comme il est gauche et veule!
Lui, naguère si beau, qu'il est comique et laid!
L'un agace son bec avec un brûle-gueule,
L'autre mime, en boitant, l'infirme qui volait!

Le Poète est semblable au prince des nuées
Qui hante la tempête et se rit de l'archer;
Exilé sur le sol au milieu des huées,
Ses ailes de géant l'empêchent de marcher.

Charles Baudelaire


✩✩✩✩✩

In Nietzsches "Vogel Albatross" ("Idyllen aus Messina") wird die von Baudelaire in ungnädiger, schmerzlicher und selbstquälerischer Ausführlichkeit praktisch als Behinderung (maladroit, honteux, gauche, veule, comique, laid) dargestellte Beschränkung zugunsten des reinen Flug-Ideals verworfen.


✩✩✩✩✩

Vieles in der Welt der Musik und des Tanzes artikuliert auf seine Weise diese Crux einer teils selbst-, teils fremdauferlegten Weltfremdheit im Sloterdijk'schen Sinne. Noch AronChupas "I'm an Albatroz" ist (in der Ästhetik eines anspielungsreichen Club-Hits mit zahlreichen comic-haften Filmzitaten) ein Echo davon.


✩✩✩✩✩

Wir, die wir dieses unermessliche Glück des Schöpferischen und der Bewegungsfreude genießen, müssen es erst einmal uns selbst verzeihen

Dass uns gerade dieses Schöpferische und 
dass uns gerade diese Beweglichkeit 
auf dem Boden anderer Wirklichkeiten 
im Wege sind.*


||| Geoloc

Tiergarten Schönbrunn
1130 Wien

Aufnahmen: 28.07. 2003

|||

*Motive: Reinheit und Gefährdung | Schulung von Sensitivität | Arbeit an sich - Cura Sui | Disziplin | Double-Standards in Kunst und Wissenschaft |


Mittwoch, 30. Mai 2018

"Nomads (Coyote)" @ YouTube & vimeo


Nächstes Mal wird ordentlich animiert. #noexcuse




Soundcloud: https://bit.ly/2LHHw4n Info: https://bit.ly/2ko4AZq

|||


Montag, 28. Mai 2018

fotografie analog | Mienenspiel Knabe | Archäologisches Museum Ephesos

© Chris Zintzen. All Rights reserved


|||

Geoloc: Archäologisches Museum Ephesos
Efes Müzesi

Aufnahmen: 10.09.2001, OM02, 800 ASA

|||


fotografie analog | Mienenspiel Trauernde | Archäologisches Museum Ephesos


© Chris Zintzen. All Rights reserved



|||

Geoloc: Archäologisches Museum Ephesos
Efes Müzesi

Aufnahmen: 10.09.2001, OM02, 800 ASA

|||

Freitag, 25. Mai 2018

New Track: Nomads (Coyote)









Zitate und Anspielungen aus der rituellen Musik von Nomaden, Schamanen und Mönchen, weitergereicht in den Wüsteneien des WWW. Die große Idee vom Common Wealth, von Creative Commons, von der Allmende und von der Praktikabilität basaler Werkzeuge wird nie ins Zentrum einer auf Eigentum, Raubbau und Menschenverbrauch beruhenden Gesellschaft vordringen. In den Randgebieten friedlicher Kreativität indes bleibt sie bestehen. - 

The Coyote of the Coyote tales is primarily a transformer, an agent of change bringing order to chaos and chaos to order. He is “the spirit of disorder, the enemy of boundaries.” (12) In much of Western North America he fills the role of Culture Hero and Trickster, found in virtually all traditional societies. He is an American Zeus, Prometheus, Orpheus, and Hermes all rolled into one: mating to create the human race, inventing death, stealing fire to give to humans, shapeshifter, androgyne, messenger and guide to the Underworld. In whatever guise, Coyote makes things happen. (...)
Medical symbolism is rampant in Beuys’s work. (20) His own birth is referred to in his vitae as “Kleve exhibition of a wound held together with an adhesive bandage. ” Beuys recognized the whole Social Body as a wounded body, a traumatized body requiring treatment, and this realization led to a lifetime of research into the healing arts. (...)
In social terms, the Coyote action calls attention to the crisis brought about by mechanistic, materialistic, and positivistic thinking in the West, and to the emergent need for Western Man (“Old Western Man is most clearly represented by what has become of the United States”) to move into the next evolutionary stage, from progress (domination of nature, “triumph over the past,” positivist reductions) to survival (holistic, ecological, evolutionary). - David Levi Strauss 

Literatur: 
Samples: 
Grafik:


|||

Mittwoch, 23. Mai 2018

fotografie analog | Ein Fenster aus Licht



Licht - und was es gestaltet. 

Aufnahme aus einem Lebensexperiment jenseits der Bücher 
in einer Landschaft, die den Büchern vorausgeht
und sie doch sämtlich in sich birgt: 
Mykene, Sparta, die Argolis.

Armenhaus Europas, jetzt.


||| Geoloc: Pera Meleana
Griechenland

Aufnahme OM02, 400 ASA Herbst 2002

|||

Dienstag, 22. Mai 2018

WienFotografie | Rollbalken | Wiener Grenzen


© Chris Zintzen. All rights reserved

© Chris Zintzen. All rights reserved


Dem Phänomen der Rollbalken begegnete ich erstmals im Wien der 1970er Jahre. Zu dieser Zeit waren diese oft schiefen, meist schwergängigen Sperrvorrichtungen bereits weit davon entfernt, jene patentierte Geräuschlosigkeit an den Tag zu legen, die der österreichische Generalvertreiber Leopold Robicsek in den 1880er Jahren angepriesen hatte. 

In Deutschland, am Dorf, hatte es keine solch grimmigen Schließvorrichtungen gegeben. Der Augenschein einer solchen Absperrung, Abschliessung, Aus-, Ein- und Wegschliessung ist für mich seither intrinsisch mit dem Phänomen "Österreich" verbunden.

Seit ich fotografiere, schnüre ich solchen Rollbalken, Zäunen, Mauern entlang und versuche mit Hilfe der Kamera zu verstehen. Zu verstehen, was "Grenze" sei und woraus "Grenze" recht eigentlich besteht.



Quelle



||| Geoloc
1150, Äußere Mariahilfer Straße (Fleischerei)
1070, Nelkengasse (Installateur)


Aufnahmen 2003, analog, S/W

|||

Montag, 21. Mai 2018

WienFotografie | Stadtbahnstation Währinger Straße | Otto Wagner und die Betriebsmusik

© Chris Zintzen. All Rights reserved

© Chris Zintzen. All Rights reserved


Otto Wagners Stadtbahnstation, heute U-Bahn-Station, Währinger Straße / Volksoper. Das 1898 in Betrieb genommene Bauwerk gestaltet sich entlang der Motive "Portal" (auf die Fahrgäste bezogen) und "Schleuse" (auf den Zugverkehr bezogen); im Kontext mit der Hochtrassenführung der Stadtbahn wird hier - rund 50 Jahres nach Anlage der Wiener Ringstrasse - ein weiterer Ring gezogen, die Grenze zwischen "Stadt" und "Vorstädten" symbolisch und praktisch neu akzentuierend (Bauordnung von 1890!). 

Das für ein unvorbereitetes Auge erstaunliche Schild der "Musik Bauleitung" stammt aus dem Jahr 1925, als bei Eröffnung der nun elektrisch betriebenen Stadtbahn dem bestehenden Betriebsorchester ein weiterer Klangkörper hinzugefügt wurde. Heute bildet das Orchester der Wiener Linien eine Sektion des Kultur- und Sportvereins.

|||

Geoloc: Währinger Straße 133
1090 Wien

Aufnahmen: 04 10 2003

|||




Sonntag, 20. Mai 2018

Plant Structures | Paeonia | Pfingstrose


© Chris Zintzen. All Rights reserved

© Chris Zintzen. All Rights reserved

© Chris Zintzen. All Rights reserved

knospe 
prallt bricht
auf


Gattungsname Paeonia erstmals in Carl von Linné "Species Plantarum" (1753) nach dem Götterarzt Paian | Paion | Paieon (Paeon's Priest!). 

Radix Paeoniae gegen Fieber, bei Zahnung, gegen Epilepsie: 

"Unt wenn ein Mensch den Verstand verliert, so als ob er nichts wüsste und gleichsam in Ekstase läge, tauche Päoniensamen in Honig und lege sie auf seine Zunge, so steigen die Kräfte der Päonie in sein Gehirn empor und erregen ihn, so dass er rasch seinen Verstand wiedererlangt".   Hildegard von Bingen


||| Geoloc: Augarten
1020 Wien


Aufnahmen 20. 05. 2018


|||

Freitag, 18. Mai 2018

UPDATE: Scintillating Water: Video Re-Edit | @ vimeo


Update: @ vimeo, in geeigneter Komprimierung, kommt das Video besser: 



Scintillating Water from Chris Zintzen on Vimeo.




Habe nun auch dieses Video überarbeitet.* 

Vektorhaftigkeit, Rhythmus, Interferenz, Refraktion: Wasser, Akustik, Musik, Metropole in Timelapse. Nachdenken über Metaphern und Tautologien, die unsere Wahrnehmung und unsere intellektuellen Auffassungen steuern.

Soundcloud https://bit.ly/2wOq1Mz




*Die Verpixelung der Wasseroberfläche nach Upload auf Youtube ist ärgerlich.
Update: Hatte das Video im .mov-format abgespeichert. Muss es in .mp4 konvertieren. Probiere es gleich mal per Upload @ vimeo aus ...

|||

Donnerstag, 17. Mai 2018

fotografie | Wüste | Texas - New Mexico | Vom Sprechen, vom Schweigen, vom Schreiben

© Chris Zintzen. All rights reserved


Die Wüste, der Raum, the land, spiegelt dem introvertierten Menschen sein Inneres. Hier endlich findet er landschaftlich jenen Freiraum wieder, den er in sich trägt. Hier endlich vermag er auch die Stille zu finden, die er zum Denken und zum Sein und zu diesem ständigen inneren Fortschreiten benötigt. Denken und Nachdenken erfährt er als aktive Tätigkeit, raumgreifend und raumverschlingend der körperlichen Rastlosigkeit ähnelnd. 

Die Freiheit von Wüste und vermeintlicher Leere besteht auch in der Freiheit und in der Befreiung vom gesprochenen Wort. Wenn das Getöse von Konversation, Plappern, Plaudern verstummt, öffnet sich endlich der Raum für ein Denken, welches seinen verbalen Ausdruck womöglich erst Monate, Jahre, Jahrzehnte später zu finden vermag. 

Viele schreiben, kommt mir vor, weil sie eigentlich gerne sprechen möchten. Ich schreibe, weil ich nicht gerne spreche. Ich schreibe, um mir meine Sprache zu sichern und zu retten aus Lärm und Logorrhoe der konkreten und medialen Umgebung. Schreiben sortiert mir die Welt. Im Schreiben denkt sich mir die Welt.

Die Wüste als leeres Blatt. Die Wüste als Buch ohne Lettern. Die Wüste als unbelichteter Film, als unbespieltes Tonband:

Wo kein Anfang ist, gibt es auch kein Ende. 


Ich begegnete ihr in Form der Mojave-Wüste erstmals 1991 bei Fahrt mit Eric von Seattle nach Tijuana; seither suche ich diese Wüste – etwa in dem, was ich nach Maderthaner/Musner/Mattl "Randzone Wien" nennen möchte – kontinuierlich auf. 



||| Geoloc: Route 66, Texas Panhandle, New Mexico (zwischen  hier und  hier. Diese Links bitte mit rechter Maustaste/"Link in neuem Tab öffnen" ansteuern und mal in Ruhe ein Bier einkühlen gehen: Das per Wayback Machine im Internet Archive erhaltene Reiseblog lädt ein wenig langsam.)


Aufnahme: 24/25. 07. 2007




Mittwoch, 16. Mai 2018

fotografie | Wüste | Ras Gharib



© Chris Zintzen All Rights reserved


© Chris Zintzen All Rights reserved

© Chris Zintzen All Rights reserved


Allgemeine Annahme ist: Wo wenig sei, gerate noch das Geringe zur Attraktion. 
Allerdings gibt es die Suche nach dem Sein im Wenigen, um Wahrnehmung und Wahrnehmungsfähigkeit überhaupt erst wieder zu finden.

Die Sehnsucht nach der tabula rasa. Manche nennen es Erlösung, Befreiung, redemption. (Soteriologie des Christentums, Selbsterlösung des Buddhismus.)

||| Geoloc: Ras Gharib, Ägypten


Aufnahmen 29. 12. 2000

|||

Dienstag, 15. Mai 2018

Pure beauty : Stehende Welle




By Phrood, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17186517

|||

fotografie | Randzone | Erfurt, Vita Cola


© Chris Zintzen. All Rights reserved


Erfurt im Zeichen des WM-Finalspiels Deutschland : Brasilien am 30. Juni 2002. Die Niederlage der Deutschen (0:2) mindert nicht den Belagerungszustand der Stadt durch grölende, hupende und fahnenschwingende Fans. 


Die für die Gegend charakteristische Stille und Leere kehrt mit dem ersten Julitag gespenstisch zurück. Zeit steht still hier, wieder.

||| Geoloc: Erfurt


Aufnahme 01.07.2002

|||

Montag, 14. Mai 2018

Echo trouvé: Neues Video


Habe das Video überarbeitet. 







Echo trouvé: Beginn einer Spurensuche in Richtung Basic Code, Granlab und anderen Spielweisen der frühen Nuller Jahre: Sensibles Understatement voll Skepsis gegenüber geglätteter Consumer-Ästhetik. (Reset the Preset.)
Wasser - als Liquid, als Element, als Generator faszinierender Naturalrhythmen, aber auch als mentaler Flow - bleibt die fundamentale Materialmetapher für eine Reihe weiterer Arbeiten.
April 2018


|||

New Track: LoinOrage | AbstractTempest #nimimal tech #experimental

#nimimal tech #experimental

 

LoinOrage, AbstractThunder: Improvisation als Ereignis, das eines Rahmens bedarf. Subjektivität und Impressionismus als Ursachen und als Unruhe einer materialabtastenden Improvisation übersetzen sich im Verlauf der Soundbearbeitung in ein kompositorisches Framework. Psychologische und ästhetische Aspekte von „Stimmung“ resp. „Gestimmtheit“ werden in der Auseinandersetzung mit Phänomenen der Übersteuerung (Override) reflektiert. 
Mai 2018




|||

Sonntag, 13. Mai 2018

Fotografie | BildSprache | Hinter Gittern

© Chris Zintzen. All Rights reserved.

Note: Bemerkenswerte optische Täuschung
qua Rasterung/Perspektive, die eine deutliche
Schiefstellung des Bildes suggeriert.
"Perspektivisches Moiré". 

BildSprache: Aus dem fotografischen Dialog mit Julian Schutting, 2002-2003.

||| Geoloc
Tierschutzhaus Vösedorf
1123 Wien


Aufnahme: 12. 01. 2003


|||

Samstag, 12. Mai 2018

Plant Structures | Gemma folifera Rosae

© Chris Zintzen. Al Rights reserved


Terminalknospe (Gemma folifera s.foliipara) der Zimmerrose, Knospenhaare (Gemma pubescens).

© Chris Zintzen All rights reserved

© Chris Zintzen All rights reserved


Erste und letzte 
Sorge des Tages 
gelten der 
Rose. Antenne,
die Widriges
sofort ortet und
an sich zeigt.


||| Geoloc
1020 Wien


Aufnahmen 09 04 2018

|||

Freitag, 11. Mai 2018

Plant Structures | Rosa Canina | Heckenrose


Lächeln der Heckenrose.
Erinnerung an Gert Jonke.


© Chris Zintzen. All Rights reserved

Bei den Arten der Sektion Caninae verläuft die Meiose irregulär. Sie wird balancierte Heterogamie oder wegen ihrer Beschränkung auf die Sektion auch als Canina-Meiose bezeichnet.

© Chris Zintzen. All Rights reserved

© Chris Zintzen. All Rights reserved

© Chris Zintzen. All Rights reserved

© Chris Zintzen. All Rights reserved

© Chris Zintzen. All Rights reserved


© Chris Zintzen. All Rights reserved


||| Geoloc
Donauinsel, Hundebadeplatz
1210 Wien


Aufnahmen 10 05 2018

|||

Donnerstag, 10. Mai 2018

fotografie analog | Randzonen, Randszenen aus Tintorettos "Susanna im Bade", KHM Wien


© Chris Zintzen. All Rights reserved


Tintorettos "Susanna im Bade" (um 1555/1556), fotografiert im Kunsthistorischen Museum Wien im Rahmen meines Projekts "Bildnerische Arbeit über museale Räume und Objekte in Wien" am 13. Januar 2003. Dies belegen die mit dem Kunsthistorischen Museum und dem ihm angeschlossenen Ephesos-Museum, später auch mit dem Naturhistorischen Museum und dem Josephinum abgeschlossenen "Verträge über Foto- Film- und Videoaufnahmen", die mir jeweils zweistündige Fotografiergenehmigungen an Schließtagen (unter Aufsicht durch das Personal) gewährten. 

Die analoge Fotografie (Kleinbild, Olympus OM2 Baujahr 1972, leicht ramponiert) brachte -  bei Belichtungszeiten von bis zu vier Sekunden - wenig repräsentative oder dekorative Bilder hervor. Allerdings: Die Kamera ist für mich kein Abbildungsinstrument. Die Kamera ist mir Sehhilfe, Forschungsinstrument und Notizapparat für Details, die mich interessieren und für Situationen, die ich gegenwärtig halten möchte.

Mit der - speziell bei Naturlicht - tiefenscharfen Analogkamera kommt man der Physikalität der Gemälde näher, ihrer Machart und Gemachtheit (Poietik), ihrer Materialästhetik und ihrer physischen Befindlichkeit im (Ausstellungs-)Raum.

So etwa bringt die radikale Untersicht auf das historische Ölgemälde die Stratigraphie der Lasuren ans Licht, akzentuiert die charakteristische Gilbung, verweist auf die Abfolge der Motivsetzung (Birken!).

© Chris Zintzen. All Rights reserved
Natursymbolik: Enten (Treue), Birken (Jugend?), Elster (Diebstahl, Verrat, Fama)

|||

Die biblische Erzählung der "Susanna im Bade" als Inbild einer Frau, über die (von Männern) verfügt und gerichtet wird, die den äußeren Grenzverletzungen lediglich ihr Ethos, ihre Prinzipien, ihre Treue und ihre Standhaftigkeit entgegenzusetzen vermag und die dessen ungeachtet weiterhin Objekt von Begierden und Projektionen bleibt, erfährt in Tintorettos Gemälde eine ebenso hinterlistige wie ambivalente Entfaltung.

Die Dramaturgie von Objekt- und Natursymbolik fordert und fördert den Blick auf Einzelheiten, deren Detailstudium die Wahrnehmung des Gemäldes in einen fortschreitenden Erkundungsprozess verwandelt und damit in eine faszinierende Reise.

|||


© Chris Zintzen. All Rights reserved

Im Zuge einer solchen Wahrnehmungsreise durch den Kosmos eines Gemäldes, seines anekdotischen (Fabel, Szene, Anekdote, Mythologie) Raumes und seiner vielfältigen Aspekte des Gemachtseins | Poietik (Komposition, Technik, Textur) erlebe ich ein solches Werk als Welt, deren Grenzen und Limina ich durch die Dokumentation des Rahmens und durch die An- und Einspielung des umgebenden (Museums) Raums integriere.

So etwa faszinieren mich die oft bezugnehmenden Sonderrahmungen von Gemälden, die ihrerseits Interpretationsmarker liefern. Oder aber die Räumlichkeiten des Kunsthistorischen Museums, dessen historische Wandbespannungen uns ihrerseits ein Wahrnehmungsdispositiv spiegeln und die ihrerseits Fehlerhaftigkeiten, Staub, Patina als Niederschlag verrinnender Zeitläufte angenommen haben.

Wahrnehmung als Weltdeutung, Wahrnehmung als Reise und als ständiges Exerzitium des Differenzierens: In diesem Unterwegssein beheimate ich mich.

|||


© Chris Zintzen. All Rights reserved
Frauenbild: Köpfchen im Kindchenschema, zartes Händchen und proportionskorrekt kleines Füßchen.


||| Geoloc
Kunsthistorisches Museum
1010 Wien

Aufnahmen 2003 01 13

|||








Mittwoch, 9. Mai 2018

Zadig | Tsadik oder Nonsense in Branding und PR

© Chris Zintzen All Rights reserved


Es hasten vorbei die vielen orthodoxen Juden unseres Quartiers (Vienna's Williamsburg) an dieser Manifestation maximaler Sinnentwendung durch die Marketing-, Branding- und Werbewirtschaft. Es muss schon ein rechter Tzadik sein - ein über das Geforderte hinaus observanter Gerechter -, der sich weder an dieser Affiche noch über selbige aufhielte. 

Der Titel von Voltaires philosophischer Erzählung "Zadig ou la destinée" aus dem Jahr 1747, welche vom Schicksal eines zum Guten Strebenden in einer dafür wenig geeigneten Echtwelt in orientalischem Dekorum berichtet, wird hier in der Schwundstufe eines fernen Bildungsnachhalls vom Prozess einer vollständigen Neucodierung als Name für ein Modelabel erfasst:

"Zadig & Voltaire: ein Pariser Modehaus mit Rock-Attitude und casual Chic. Das Konzept: Eine neue Version von Luxus. Lässiger Luxus – ein Mix aus hochwertigen Materialien wie Kaschmir, Leder, Seide – wird mit coolen, alltagstauglichen Schnitten kombiniert. Doch Zadig & Voltaire ist viel mehr als nur eine Modemarke – es ist eine Lebensart. Die Marke hat Rock im Blut. Die Kunst ist ihre inspirative Quelle. Paris lebt als Kultstadt in ihrem Herzen. Zadig & Voltaire is a state of mind."*


(*Regieanweisung: 
Vortrag in großer Pose
durch Burgschauspieler
resp. Heldentenor)

|||


Und stimmt: Das Modegirl, das den Schriftzug quer über dem Busen trägt oder als Imprint auf einer vermeintlich lässig über die Schulter geworfenen Softbag, hat weder je etwas von François-Marie Arouet Voltaire (1694 bis 1778) vernommen noch von dem (jüdischen) Archétypus des Tzadik. Morgen trägt sie auf ihrer Brust ein Turkish-Fake Dolce&Gabbana-Logo spazieren, unter dem sie sich die Geburtsdaten und Namen ihrer Kinder in die Haut tätowieren liess. 

Als der Musiker John Zorn den Namen Tzadik für sein Plattenlabel (*1995) erkor, war - und blieb - ihm dieser titelgebende "Gerechte" Ansporn und Verpflichtung zu strikter Observanz im Zeichen der Avantgarde. 

|||

Tzadik: Des mag bedeuten, sich einer Sache verpflichten, die größer ist als man selbst. Das mag bedeuten: Einem Leitsatz folgen. Und dies insbesondere, wenn diese Prinzipientreue, wenn diese Konsequenz dazu angetan ist, in der Echtwelt weder Ruhm noch Geld noch persönliche Vorteile zu generieren. 

Die "Ich-bin-so-wild-nach-deinem-Erdbeermund"-Imagines mit ihrer unübersehbaren autoerotischen Note (Dramaturgie der Hände) spricht eine andere Sprache. Eine Sprache indes, die geradezu erheiternd selbstdecouvrierend ist.





|||