Freitag, 21. Februar 2020

Notizen zum Utopischen 3 | Wo ist der Entwurf?







Man könnte dies in wenigen Sätzen skizzieren. Man könnte aber auch eine Geschichte bisheriger (städtebaulicher) Utopien schreiben. Letzteres ist oft geschehen und wäre für unseren Kontext womöglich ein paar Nummern zu groß bzw. würde von dem, woran wir denken und arbeiten, fortführen.

Indem ich dies hier formuliere, wird mir deutlicher, dass ich noch einen dritten Pol benötige, um das, was ich insgeheim intendiere, zu konturieren. Nämlich das "Ideal". Erst mit dem Ideal haben wir die Möglichkeit, Utopien und Visionen als zentral gelenkt und - wie wir aus der Geschichte wissen - als tendenziell totalitär zu erkennen. Mit dem Ideal können wir deutlicher humanistische, künstlerische und gesellschaftspolitische Glückenserwartungen thematisieren.

Und wir können erkennen, wie wenig unsere aktuelle Gesellschaft (noch) an Idealen hängt, bzw., wie sehr diese Ideale im Konsum, in kapitalistischer Selbstoptimierung bzw. in Illusionen und Ideologien verhaftet sind. Wohingegen die Krise der alten Parteien wie der Sozialdemokratie ja auch von einem Verlust der Ideale / des Idealen kündet. Am Wort scheinen die Neinsager zu sein. Fridays for Future wiederholt heute spontan Vieles von dem, was die Grünen Mitte der 80er Jahre sagten. Fridays for Future sagt Nein. Und hat damit Erfolg.

Wo ist der Entwurf?













21.02.2020

Donnerstag, 20. Februar 2020

Notizen zum Utopischen 2 | Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral







Oder doch? - In Heinrich Bölls “Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“ trifft ein Tourist auf einen friedlich in der Sonne dösenden Fischer. Mit missionarischer Inbrunst entwickelt der Tourist einen veritablen Business-Plan für den Fischer: Wenn er - statt in der Sonne zu dösen - mehrmals pro Tag ausfahre und folglich größere Erträge erwirtschafte, könne er mehrere Boote anschaffen, andere Fischer einstellen und wäre dann in der Lage, seine Tage in Muße zu genießen. - Dies sei ja bereits der Fall, entgegnet der Fischer und setzte sein Schläfchen in der Nachmittagssonne fort.

Heinrich Bölls Provokation der “Schaffe-Schaffe, Häusle baue”-Mentalität der Wirtschaftswunderzeit (der Text entstand zum “Tag der Arbeit” 1963) taucht heute ebenso in Motivations-Seminaren (Wie kann ich meine Mitarbeiter motivieren?) auf wie in Karriere-Bibeln (Halten Sie es nicht wie der Fischer: Geben Sie sich nicht zufrieden!) oder in Achtsamkeits-Ratgebern (Leben Sie im Hier und Jetzt!) und zeigt damit, dass es nur der geeigneten Rhetorik bedarf, um jedes Argument wirkungsvoll in sein Gegenteil zu verkehren bzw., wie gemütlich es sich im Raum des logischen Zirkelschlusses verharren lässt. 












20.02.2020










Mittwoch, 19. Februar 2020

Notizen zum Utopischen 1 | Die "Vision"



Habe derweil in den Begrifflichkeiten von "Vision" und "Utopie" herum geschnobert. 

Realiter ist "Vision" mittlerweile eine definierte Vokabel im Kontext der Wirtschaftsstrategie und nachfolgend auch im Marketing. Sie soll - wie auch die Utopie - identitäts- und handlungsbestimmend auf die MitarbeiterInnen auf allen Ebenen wirken. Wie die Utopie wird sie den Menschen von der Zentrale aus diktiert, was bedeutet, dass weder Utopie noch Vision auf demokratischen Prozessen beruhen. Erst per Erreichung des Zieles wird Benefit auch für die unteren Ebenen generiert (so jedenfalls das Versprechen). 

Bis dahin herrschen die berühmten "Mühen der Ebene".


























19.02.2020

Sonntag, 16. Februar 2020

Werkstatt




Aber ich kehre noch einmal zu jenem handwerklichen Bild zurück, das für mich persönlich sehr wichtig ist. Der Schreibraum ist für meine Begriffe wie eine Werkstatt, in der man vielleicht manchmal - und aus Gründen, die für einen Laien nicht nachvollziehbar sind - an einem Werkstück Blut und Wasser schwitzt, in der man aber sein Zuhause weiß. Dazu gehört auch, dass man Vieles von dem, was textmäßig in der Welt kursiert, als "unhandwerklich" oder als "wider die Handwerksmoral verstoßend" empfindet und eine deutliche Grenze zieht gegenüber jenen, die offensichtlich denken, dass jeder, der zu sprechen imstande sei, damit notwendig auch zu schreiben vermöge.











Bassers Nachf., 1020 Wien 2015 @ Chris Zintzen @ panAm productions 2020
Blassers Nachf., 1020 Wien, 2015
























16.02.2020















Montag, 10. Februar 2020

- - OUT NOW: litblogs.net: Lesezeichen 04/2019 - -


 


Lesezeichen, Ausgabe 04/2019 vom 11. Februar 2020



Fotoarchäologie © Thomas Huber @ Flaneurin


In dieser Ausgabe: appropriation art, assemblage, brief, die fackel (zeitschrift), kochen, korpus (linguistik), kraus (motiv)  - - -  und er klimperte weiter, / Tropfen für Tropfen, / heiter das Regenlied  - - - Ich überlege mir, ob mein Leben hinreicht, das alles zu notieren. - - - Der Verkäufer erzählte, dass er in gebrauchten Kameras immer wieder Filme finde, die wohl vergessen worden waren und die er dann aufrolle und sichere. - - - "Die müllen uns noch zu mit Flüchtlingen!“ belausche ich auf dem Bürgersteig ein Gespräch unter Deutschen. - - -  Genesisgewebe, Aggregatszustände, Schutzschichten und heimlich Verbarrikadiertes - - - Er fragte sich ja immer schon wie die Geschichten in die Bücher kommen. Nun scheinen sie auch noch aus den Büchern wieder herauszukommen. Oder ist er selber hineingeraten? - - -  Die Frage, ob Trauerarbeit das richtige Wort ist, wenn man auf das Ende eines 1700-seitigen Romans hinliest, ist nun sicherlich völlig unwissenschaftlich, stellt sich mir allerdings. - - - Es ist ein klei­nes Wun­der, das mich sehr berührt. Ich will es unter der Wort­bo­je Giu­sep­pi Logan in ein Ver­zeich­nis schrei­ben, das ich aus­wen­dig ler­nen wer­de, um alle die Geschich­ten wie­der­fin­den zu kön­nen, die ich nicht ver­ges­sen will. - - - Twitt twitt, costumers of all years / say hello to the seasons! - - - Der Himmel ist samten / und violett. Die Wände / rot, verspiegeltes Boudoir. / Chippendale-Stühle, / ein Hamlet-Schädel zu Tisch- - -  u.v.a.m. - - -

INHALT:
1. Laura Paloma: De Facto!
von Hartmut Abendschein
in: taberna kritika

2. Konzertina
von Mirko Bonne
in: der goldene fisch

3. 2/20 – Air
von Marianne Büttiker
n: tempo fugato

4. Fotoarchäologie
von Thomas Huber bei Barbara Denscher
in: Flaneurin

5. Von Flüchtlingen und anderen Menschen
von Andreas Glumm
in: Studio Glumm

6. Planeta
von Phyllis Kiehl
in: Tainted Talents
7. Der Himmel ist blau
von Rittiner & Gomez
in: isla volante

8. Kurze Bemerkung zu Hans Henny Jahnns großem Roman „Fluß ohne Ufer“
von Norbert W. Schlinkert
in: Nachrichten aus den Prenzlauer Bergen!

9. ein zerbeultes saxophon
von Andreas Louis Seyerlein
in: particles

10. zwanzig twenty vingt dwaceći
von Hans Thill
in: der goldene fisch

11. Amantea | Paradies Artificiel
von Chris Zintzen
in: panAm productions


➾ Zur Übersicht aller Lesezeichen-Ausgaben



Litblogs.net - Literarische und künstlerische Weblogs, hg. von Hartmut Abendschein, Markus Hediger und Chris Zintzen, Bern / Wien 2004-2020



Sonntag, 2. Februar 2020

oh, sonder | usp

commonplaces of the marketplace




etwas ganz besonders besonderes
so sonder zahl, so besonnen sondergleichen,
somit so samt und sonders solitär,
besonders sonntags ohnegleichen.









The unique selling proposition (USP) or unique selling point is a marketing concept first proposed as a theory to explain a pattern in successful advertising campaigns of the early 1940s. The USP theory states that such campaigns made unique propositions to customers that convinced them to switch brands. The term was developed by television advertising pioneer Rosser Reeves of Ted Bates & Company. Theodore Levitt, a professor at Harvard Business School, suggested that, "Differentiation is one of the most important strategic and tactical activities in which companies must constantly engage." (Link)








02.02.2020

Vorfrühling



Kaum wird es heller
verlassen die Vögel
den Dunstkreis der Stadt.

Ich suche vergeblich
meine Kolonie der Wildgänse,
Kormorane, Enten und Möwen.

Noch weiss ich nicht,
wo sie zu finden sein werden.
Warten allein ist nicht genug.

















Wien, den 01.02.2020

Mittwoch, 15. Januar 2020

Cervus nippon nippon / Gespräch über Bäume


Der Ideologiekritik verdanken wir den Generalverdacht
gegen Schönes und vermeintlich Einfaches,
an welchem die Anschauung zuschanden geht.

Es gilt, Brechts Gespräch über Bäume
weiterzuführen und Franz Marcs Blaues Pferd zu finden.

Überlassen wir das Feld nicht unseren Gegnern.
Ziehen wir los.










Sikahirsche, Reh und Kalb, Ernstbrunn, 15.12.2019



Freitag, 3. Januar 2020

Vertrunkener Gottesacker



Futterkartoffeln, 
Hafer und Leckstein
in einer Raufe.

Wild in der Zone
zwischen Bahndamm und Hafen 
und losem Flussarm.

Hier fliesst, was dort steht.
An jenem Kindergrab dort
am Ufer ist's still. 














Es gibt in Albern den Friedhof der Namenlosen. Er ist umzäunt, seine Gräber sind uniform, die kleine Gedenkstätte versinkt im Getriebe und im Lärm des  mittlerweile wiedererwachten Hafen-, Lager- und Logistikbetriebs rund um die historischen Speicherbauten.

Aber es gibt wilde Gräber und Gedenkplätze in der Nähe. Dort, wo sich nur die Angler hintasten, ist das Grab eines Kindes. Es wird liebevoll unterhalten und gepflegt. Auch das Grab meiner Mutter war auf einem solchen Friedhof der Namenlosem, dem Vertrunkenen Gottesacker am Rhein. Ich schnüre den Grenzzäunen entlang und entdecke so meinen Ort.  

Wien, den 03.01.2020























Sonntag, 29. Dezember 2019

Turmfalke



Turmfalke im Rüttelflug über einem Feld.














fotografie imaginaire, Marchfeld, 29.12.2019









Samstag, 21. Dezember 2019

Bussard



Bussard auf einer Schneestange.






















fotografie imaginaire, Weinviertel, 15.12.2019

Bartleby-Effekt / Der Graue II
































Bar der verbalen Sprache
sind Kreaturen unendlich beredt.

Nur im Schreiben, nie im Sprechen
finde ich solche Räume.

Sprechköpfe in unendlichem Monolog
knattern durch meines Albträume:

Je mehr ich zurückweiche, je stiller ich werde,
desto lauter und dringlicher bearbeiten sie mich.

Das verbale Kesseltreiben schließt meine Luken.
Das Boot ins Meer des Möglichen
hat längst abgelegt.







Debrah L. Johnson von der University of Iowa zeigte mit Hilfe der Positronen-Emissions-Tomographie, dass introvertierte ... Menschen eine bessere Durchblutung und höhere Aktivitäten der Frontallappen und des vorderen Thalamus aufweisen, also Hirnregionen, die für Erinnerung, Problemlösung und Planung relevant sind, während Extravertierte erhöhte Aktivitäten in den Temporallappen, im hinteren Gyrus cinguli sowie im hinteren Thalamus zeigen, was für eine stärkere Inanspruchnahme durch sensorische Prozesse spricht. Introvertierte beziehen also mehr Informationen in die Problemlösung ein, Extravertierte denken und reagieren schneller. (Quelle)







Wolf Science Center Ernstbrunn, 15.12.2019
Text, 21.12.2019









Donnerstag, 19. Dezember 2019

Der Graue

Der Graue © Chris Zintzen @ panAm productions 2019

Der Graue © Chris Zintzen @ panAm productions 2019






































Wolf Science Center Ernstbrunn, 15.12.2019








Howl


Howl / Wolf © Chris Zintzen @ panAm productions 2019

Howl / Wolf © Chris Zintzen @ panAm productions 2019








































Wolf Science Center Ernstbrunn, 15.12.2019




Mittwoch, 18. Dezember 2019

Wolf Bernsteinauge / amber-eyed wolf


amber eyed wolf © Chris Zintzen @ panAm productions 2019
































Es kostet Überwindung
Tiere im Gehege zu fotografieren.
Aber sie finden auch,
dass manche von uns interessant aussehen.













Wolf Science Center Ernstbrunn, 15.12.2019







Dienstag, 17. Dezember 2019

Wasser



Was würde bleiben
würdest du den Fetisch
des Selbst dem Lauf
des Flusses anheim geben.

Ach schöne Worte nur
und nobler Tand
im Tagesrest der
Feierabendpredigt.

Verliere dich, dann
hast du dich -
woran du hangest,
verlierst du ohnehin.

Wärst Wasser du,
du lebtest nicht und
müsstest dich zum Leben
nicht täglich neu entschliessen.



Wasser © Chris Zintzen @ panAm productions 2019
































Wien, den 16.12.2019




Samstag, 14. Dezember 2019

Elstern



Wo abends die Elstern sich sammeln
fliehen die Krähen.

Der Elstern Schackern und Ratschen
leitet die Winternacht ein.

Leer ist das Land und bleich
sind die Wiesen. Alles ist klar.













Donauufer, 14.12. 2019











fuchs




schatten huschen 
hurtig zögert 
zagt duckt reckt 
witternd äugend 

jetzt 

wird es klar und weit in
dem verdichteten moment
da mir der fuchs begegnet
halbhoch auf einem uferbaum. 






rodung donauufer, 08.12. 2019
text: 14.12.2019










Dienstag, 3. Dezember 2019

Nachtkritik


Was auf der Bühne des Tages
wie ein glückendes Spiel erschien
hält vor dem nächtlichen Kritiker
meistens nicht stand.











Wien, den 3.12.2019








Montag, 2. Dezember 2019

Schlachtfeld


Meine Donauufer gleichen einem Schlachtfeld.
Was die Biber innerhalb einer Woche umgelegt haben,
macht mehrere Dutzend voll.












Wien, den 1. Dezember 2019