Freitag, 17. Juli 2020

Ausstellung "Verdinglichung" | "Reification", MAG3 (Wien)

Ausstellung:
chris zintzen_gue schmidt_fritz fro 
VERDINGLICHUNG



__________________________________________________________

Je verdinglichter die Welt, je dichter das Netz, das der Natur übergeworfen wurde, desto mehr beansprucht ideologisch das Denken, das jenes Netz spinnt, seinerseits Natur, Urerfahrung zu sein.
Theodor W. Adorno: Wozu noch Philosophie?

Drei Positionen reflektieren die Entfremdung und Deformation, welche Natur (Chris Zintzen: Fotografie), Arbeit (Gue Schmidt: Installation) und Klang (Fritz Fro: Sound) unter kapitalistischen und neoliberalen Bedingungen erfahren. Zur Eröffnung spricht Walter Baier (transform! europe). 
__________________________________________________________

Eröffnung: Dienstag, 28. Juli 2020, 19 Uhr
Redner: Walter Baier (transform! europe)
Dauer: 28.07.-21.08.2020 
Zeiten: Di– Fr, 17–20 Uhr 

projektraum MAG3
A-1020 Wien, Schiffamtsgasse 17
Erreichbar über U2 Taborstrasse oder U4 Schottenring/Ausgang U2 Herminengasse 
Tel. 0676-34.09.218, Mail: mag3@mur.at 
https://bit.ly/Verdinglichung_Die-Ausstellung


P R E S S E T E X T

NATURES MORTES_chris zintzen
Tiere nach der Natur, inszeniert post mortem für ein prachtvolles Museum. Gruppiert und angeordnet nach dem Schema der biologischen Taxonomie (Stamm - Klasse - Ordnung - Familie - Gattung - Art) wird die ausgestellte Fauna zum Fak(e)simile des Lebens und zur stillgestellten Projektion. 
Die Inszenierung der mortifizierten Fauna exemplifiziert das „todbringende Verstehen“ (Tzvetan Todorov) des kolonisierenden wissenschaftlichen Blicks, welcher theatralisch Erkenntnisse als Beutestücke präsentiert. Die beforschten Lebewesen überleben diese Einverleibung in die Welt des Wissens nicht: Ihre verdinglichten Karkassen werden zu Stilleben (natures mortes) einer makabren Wahr-Scheinlichkeit von „Leben“. 
Die Serie von analogen S/W-Fotografien geht auf das Jahr 2002 zurück; das Material ist durch lange Lagerung korrodiert und zerkratzt, entstand zudem mit einer beschädigten Olympus OS2. Es bleibt das Perspektiv des beschädigten Lebens. Im Gegenbild und in seiner Fragilität wird „Leben“ offenbar. 

EIN SATZ LUKÀCS_gue schmidt
Die Installation von Schmidt auf der Basis eines Diktums von Georg Lukàcs zeigt den Diskurs als festgestellt und gleichzeitig als im Fluss befindlich: Text, dreidimensional inszeniert in drei Wannen, reflektiert die Aussage als Präparat, in ihrer linear diskursiven Gerichtetheit. Gezeigt, vor- und ausgestellt wird nicht mehr und nicht weniger als ein Satz, extrahiert aus einem Ganzen (Theorie des Romans), gleichzeitig aber auch ein komplexes Ganzes per se. Die materiale Inszenierung lädt dazu ein, Lukàcs Zitat zu begehen und zu besehen, sich körperlich und intellektuell mit seiner Wortgestalt und seinen möglichen Bedeutungen zu beschäftigen. Es ist eine beredt stille Versuchsanordnung, die erweist, dass kein Sagen und kein Satz zu einem Ende kommen kann. 

KLANG WELLE_fritz fro
Eine Klang-Welle schwingt im Raum – eine Welle die so lang(sam) schwingt als würde sie im Raum stehen und die es den BesucherInnen erlaubt, bei jedem Schritt den Klang auch anders wahrzunehmen.


E N G L I S H  T E X T

chris zintzen_gue schmidt_fritz fro 
REIFICATION

Opening Date: Tuesday, July 28 2020, 7 pm 
Opening remarks: Walter Baier (Transform! europe)
Duration: 28/07 – 21/08/2020
Opening Times: Tue–Fri, 5 pm–8 pm 

project space MAG3
A-1020 Vienna, Schiffamtsgasse 17 
Public transport: U2 Taborstrasse and/ or U4 Schottenring/ Exit U2 Herminengasse)
Phone: 0676-34.09.218, Email: mag3@mur.at
https://bit.ly/Verdinglichung_Die-Ausstellung

NATURES MORTES_chris zintzen
Animals ’according to nature’, staged post mortem for a splendid museum. Sorted and arranged in line with biological taxonomy, the exhibited fauna represents a fake-simile of life and an immobilized projection of nature.
The staging of the mortified fauna exemplifies the "deadly understanding" (Tzvetan Todorov) of the colonizing scientific gaze, which theatrically presents its findings as pieces of prey. The researched living beings do not survive this incorporation into the world of knowledge: their reified carcasses become still lifes (natures mortes) of a macabre probability.
The series of analogue B/W photographs was created in 2002. The pictures were taken with a damaged Olympus OS2, the material is corroded and scratched due to long storage. The perspective of the damaged life remains. The very fragility of life is revealed through its counter-image.

A LUKÀCS STATEMENT_gue schmidt
The installation by Schmidt on the basis of a dictum by Georg Lukàcs shows discourse as something established and at the same time fluid: text, staged three-dimensionally in three basins, reflects the statement as a specimen, in its linear, discursive directedness. What is shown, presented and exhibited is not more and not less than a statement, extracted from a whole (Theory of the Novel), but at the same time a complex whole per se. The material staging invites the viewers to inspect and to examine Lukàcs’s quotation, to engage themselves physically and intellectually with its word form and its possible meanings. It is an eloquently quiet experimental arrangement, which proves that no telling and no sentence can come to an end.

SOUND WAVE_fritz fro 
A sound wave vibrates in the space – a wave that vibrates as long as if it was standing in space and allows the visitor to perceive the sound differently with every step.




Chris Zintzen
Kulturwissenschafter, Schreiber und Bildautor, Verfasser mehrerer kulturwissenschaftlicher Monografien, Herausgeber von Büchern zu Literaturkritik,-betrieb und Netzliteratur, Autor für ORF und NZZ, Co-Herausgeber eines trinationalen Netzmagazins, Radiomacher, universitäre Lehrtätigkeit. Geb. 1966 in Deutschland, lebt & arbeitet nach Aufenthalten in den USA, der Schweiz und Deutschland in Wien. 
Ausstellungen:
Transmediale Ausstellung + Symposium zum Stadtraum Praterstern IFK Vienna/Radio Ö1/Diagonal (2002-2003); Gruppenausstellung "Beispiele Tropischer Kunst“ (Galerie Ruth Maier, 2003); transmediale Gruppenausstellung/Soziale Skulptur "Operation Figurini" (Kurator: Christian Steinbrenner, Karmelitermarkt/ Der Standard, Wien Mai/Juni 2003); Ausstellungsbeteiligung „Spiel- und Denkmaterial für eine Museumssammlung" (Kurator: Wolfgang Kos, WienMuseum, Mai 2003); Kurator und Gestalter "10 Jahre Literatur als Radiokunst" (Literaturhaus Wien/ORF Kunstradio, März/April 2009); Gruppenausstellung "visuell - virtuell - parallel: SchriftstellerInnen fotografieren" (FLUSS, Schloss Wolkersdorf & Galerie Wechselstrom Wien, Mai 2010); Lexikonartikel als Exponat in der Ausstellung "Gerhard Rühm. Radiophonic Spaces" (Kuratorin: Nathalie Singer; Wanderausstellung Bauhaus Universität Weimar | Haus der Kulturen der Welt, Berlin | Museum Tinguely, Basel, Oktober 2018- September 2019). 

Gue Schmidt 
Geboren, lebt und arbeitet. Verschiedene Stadien. Seit Beginn der 80er Jahre Arbeiten in den Bereichen visuell-akustischer Medien, im elektronischen Raum, Fotografie, Installation und Radiokunst, sowie Ausstellungsorganisationen und Performances inner- und außerhalb Europas.
Ausstellungen und Beteiligungen (Auswahl): REM/ Vienna/ Austria, Museum moderner Kunst – Sammlung Ludwig / Vienna/ Austria, “SIGGRAPH '92“ Art Show/ Chicago/ USA, Omrooepmuseum/ Hiversum/ Netherlands, Packaging Gallery/ Seoul/ Korea, Museo de Arte Religioso (Biblioteca Luis Angel Arango) Bogotá/ Colombia, Künstlerhaus Dortmund/ Germany, Museo de Arte CARRILLO GIL/ Mexico City/ Mexico, Museo del Chopo/ Mexico D.F./ Mexico, Varosi Müveszeti Muzeum/ Györ/ Hungary, t.p.s. [triangle.project.space]/ San Antonio/ Texas/ USA, lia (Laboratorio Interdisciplinario para las Artes) Bogotá/ Colombia, Ruse Art Gallery/ Ruse/ Bulgaria, Vebikus Kunsthalle Schaffhausen/ Switzerland, etc.

Fritz Fro
1957 in Wien geboren. Verschiedene Aus- und Einbildungen (Musikalischer und auch anderer Arten). Seit Mitte der 80er Jahre Arbeiten im Bereich Fotografie, akustischer Medien, im elektronischen Raum und Radiokunst, Performances inner- und außerhalb Europas. Mitorganisator bei HÖREN IST SEHEN.
Ausstellungsbeteiligungen: 1996-2008 HÖREN IST SEHEN - „Kunst im elektronischen Raum, am Beispiel von Radiokunst und Klangskulptur“: Medellín, Bogota/ COLOMBIA; Erfurt/ GERMANY; Caracas/ Venezuela; Istanbul/ TURKEY;  Mexico D.F., Queretaro, Xalapa, Acapulco/ MEXICO; Weimar, Berlin/ GERMANY, Schaffhausen/ SWITZERLAND; St.Pölten/ AUSTRIA; Toronto/ Canada; Györ/ HUNGARY, San Antonio/ Texas/ USA.
Performances u. Aktionen: 
1985 mit Strada Deformata, Jazzclub/ Mürzzuschlag, 1986 Alte Welt/ Linz, 1991 mit V. Schöny/ Elementar/ Breitenfurt, 1987-90 mit RBW21/ Galerie im Posthof/ Linz, Club Flieger/ Wien, Galerie REM/ Wien/ AUSTRIA, Künstlerhaus Dortmund/ GERMANY, 2000 mit V. Schöny/ Galerie Celeste/ Wien, 2004 mit V. Schöny, Kunstwoche Grafenschlag/ AUSTRIA, 2002 mit A. Buetikofer/ Tangent[e]/ Eschen/ LIECHTENSTEIN
, 2004 mit A. Buetikofer/ Giswil/ SCHWEIZ, 2006 Solo/ Kunst in der Natur/ Wachtberg/ AUSTRIA, 2011 Live electronics zu IN/ EN LA/ IM (v.Gue Schmidt)/ LIA (Laboratorio interdisciplinario para las Artes)/ Bogotá/ KOLUMBIEN.
Radioarbeiten: 
1989 (mit RBW21) A Quarter past ten, 1991 Die Welt bei Tag, 1992 The way of the Lemming, 1994 Über die Kunst, das Kapital und Karl Marx, 1997 ESPACIO 666, 1998 Übungsstunde, 2000 Kammerkonzert für 7 Wasserschüsseln und zwei Computer, 2002 K2R oder Syntagmatischer Diskurs über Randlage und Zentrum, 2003 Die Welt bei Tag (Wiederholung von 1991/ Zum Thema Krieg), 1992 Kopfhörer/ Kunstradio/ ORF-ö1/ AUSTRIA, 1992 Guerre/ RAI 1- Radio Arte Acustica/ Rimini/ ITALY, 1996 (RBW21) A Quarter past ten (Originalfassung)/ Emisora Cultural de la Universidad de Antioquia/ Medellín, Bogotanian salsa/ Radio Universidad Nacional/ Bogotá/ COLOMBIA.


P R E S S   P I C S



Chris Zintzen: Natures Mortes @ VERDINGLICHUN, MAG3, 2020


Chris Zintzen: Natures Mortes @ VERDINGLICHUN, MAG3, 2020


Gue Schmidt: Ein Satz Lukàcs @ VERDINGLICHUN, MAG3, 2020

Gue Schmidt: Ein Satz Lukàcs @ VERDINGLICHUN, MAG3, 2020

Freitag, 26. Juni 2020

brut: Hochbunker Floridsdorf

brut: Hochbunker Floridsdorf © Chris Zintzen @ panAm productions 2020

brut: Hochbunker Floridsdorf © Chris Zintzen @ panAm productions 2020


Eine Passantin weist auf die benachbarte Strafvollzugseinrichtung hin, bevor sie die Bunkerkatze füttert. Das Tier wohnt in einer Betonscharte des Bunkers. Schaufel und Besen sind neben den Futterschalen platziert. 

Tiere dürfen beim Besuch der Justizanstalt Mittersteig, Außenstelle Floridsdorf nicht mitgeführt werden. Die telefonische Anmeldung hat spätestens zwei Tage vor dem geplanten Besuch zu den Amtsstunden zu erfolgen (Name des Insassen, Name des Besuchers/der Besucherin, Besuchstag, Uhrzeit und Dauer).









Aufnahmen: 05.09.2018

Donnerstag, 25. Juni 2020

Zeit

Hauptbahnhof @ Chris Zintzen @ panAm productions 2020




































Auf die Frage, wann sie Zeit hätten, zählen manche Menschen zunächst 
langwierig auf, wann sie keine Zeit haben und oft auch, warum dies der Fall sei. 

Die Lust, die Zeit solcher Menschen in Anspruch zu nehmen, vergeht augenblicklich. 











25.06.2020
Aufnahme 31.08.2018

Mittwoch, 24. Juni 2020

Stadtsprache II


Mohn/Papaver | Stadtsprache © Chris Zintzen @ panAm productions 2020
































Täglich neu gilt es, die Sprache vom Wust des Jargons zu befreien. Klärungen sind vorzunehmen, Abscheidungen durchzuführen. 

Verdrehte Sprache zeugt nicht nur von verdrehtem Denken, sondern verursacht dieses geradezu. 

Zu beobachten ist die Zunahme von Passivfügungen, oft in Kombination mit substantiviertem Präsenspartizip: 
Folglich nimmt der Grad an "Verwalteter Welt" in den Köpfen zu. 






24.06.2020




Dienstag, 23. Juni 2020

Stadtsprache



Hare Vienna @ Chris Zintzen @ panAm productions 2020

Hare Vienna @ Chris Zintzen @ panAm productions 2020






























Der Stadt aus dem Wege zu gehen,
erweitert das Gegenleben bis
in den Raum der Sprache.

Suche und finde den Ort fern
der Schreihälse und Immerberedten. 
Jetzt. 





22.06.2020




Montag, 22. Juni 2020

Kritik



Matrix @ Chris Zintzen @ panAm productions 2020










































Indem wir nämlich zweifeln, gelangen wir zur Untersuchung
und durch diese erfassen wir die Wahrheit. (Petrus Abaelardus, Sic et non)






























Dienstag, 9. Juni 2020

Feldhase (Lepus europaeus)



Feldhase (Lepus europaeus) © Chris Zinrten @ panAm productions 2020
Feldhase (Lepus europaeus) © Chris Zinrten @ panAm productions 2020








Fasane, Rehe, Feldhasen: Alle da. Nur die Ziesel, von denen Hunderte Löcher zeugen, sind nicht zu sehen. 
Ein Schuss hallt über die Felder. Es is sechs Uhr früh. Die Christen feiern Pfingsten. 




Aufnahmen: 31.05.2020

Montag, 8. Juni 2020

Stille Riesen im Mediengewitter: Zeppeline am Flugfeld Aspern



Zeppelin 1913 über der Praterstraße Wien, Postkarte, CC @ panAm productions 2020

Zeppelin 1913 über der Praterstraße Wien, Postkarte, CC


Ein besonderes Kapitel der friedlichen Luftfahrt des Flugfelds Aspern stellten die Zeppelin-Besuche dar. 1913 war das Luftschiff Sachsen unter großem öffentlichen und medialen Interesse vor Anker gegangen.

1929 mobilisierte der Überflug Wiens durch das Luftschiff Graf Zeppelin (LZ 127) die gesamte Stadt und geriet zur medialen Großinszenierung. Die RAVAG schickte von Aspern aus dem Luftschiff ein Reportage-Flugzeug entgegen und sendete Live-Berichte, die über öffentliche Lautsprecher in der Stadt ausgestrahlt wurden. Die linksliberale Zeitung Der Tag berichtete:
Um ¾ 1 Uhr tauchte das Luftschiff, hell in der Sonne glänzend, im Süden der Stadt auf und zog über Wien seine Kreise. Wieder waren (...) Zehntausende um Zehntausende auf die Straßen gelaufen, um dieses Wunderwerk deutscher Technik zu bestaunen und sich des lang ersehnten Besuchs zu freuen.

Das Luftschiff Graf Zeppelin am Flugfeld Aspern beim Start zum Österreich-Rundflug. Unter den Redner u. a. Georg Emmerling. Screenshot Wochenschau 1931, Österr. Filmmuseum/Stadtfilm Wien @ panAm productions 2020






























Eindrucksvolle Größenverhältnisse, waghalsige Luftaufnahmen: Das Luftschiff Graf Zeppelin am Flugfeld Aspern beim Start zum Österreich-Rundflug. Unter den Redner u. a. Georg Emmerling. Screenshot Wochenschau 1931, 
Bewegtbild >>>>> Österr. Filmmuseum/Stadtfilm Wien. 


Kurz vor seiner Polarfahrt im Juli 1931 kann das Luftschiff Graf Zeppelin erneut nach Wien: Es traf am Morgen des 12. Juli in Aspern ein, vollzog einen Österreich-Rundflug und kehrte abends nach Wien zurück. Es handelte sich dabei um eine PR-Tour des Betreibers der Luftschiff-Idee, Hugo Eckener, der 1926 auch in Österreich einen Spendenaufruf lanciert hatte, um den Bau des Graf Zeppelin zu finanzieren. Die Besuche stellten eine öffentlich wirksame Form der Danksagung für die eingegangenen Spenden dar.


Zeppelin in Wien, Neue Freie Presse, 13.07.1931 @ panAm productions 2020



























Neue Freie Presse, 13.07.1931




Aus: Krüger & Pardeller, Chris Zintzen: Geschichte des Flughafens Wien-Aspern. Erscheint im August 2020. 

Sonntag, 7. Juni 2020



Das Schwierige und das Einfache unterschieden sich nicht im Hinblick auf die Notwendigkeit der Erledigung. 










Donnerstag, 4. Juni 2020

Im Morgengrauen (deer)



Als Bildmotiv ist "Rehwild" sowohl durch die Essig-und-Öl-Malerei als auch durch Heimattümelei in Guten Stuben weitgehend verdorben (siehe Ulrich Schlotmanns "Die Freuden der Jagd"). Wie überhaupt die Naturfotografie mit ihrer naiven Bezaubertheit durch das Naturschöne unter Generalverdacht ideologischer Affirmation gerät und sich darüber hinaus der technischen und ästhetische Kritik zu stellen hat, ihr fehle der künstlerische Mehrwert. 

Indes will ich nichtsdestotrotz auf der für mein Leben und Denken unabdingbare Gegenweltlichkeit des Prozesses ihrer Aufnahme beharren. Es geht um den Moment und um den Vorgang, die Resultate sind sekundär. Sie dokumentieren nichts anderes als das Unterwegssein, das Freie, die Stille.  




deer © Chris Zintzen @ panAm productions 2020

deer © Chris Zintzen @ panAm productions 2020

deer © Chris Zintzen @ panAm productions 2020































Aufnahme: 31.05.2020


Dienstag, 2. Juni 2020

Feld, grafisch






Feld, grafisch © Chris Zintzen @ panAm productions































Aufnahme: 31.05.2020








Montag, 1. Juni 2020

No way











































Die aktuellen Grenzschließungen erhalten erst im Routenplaner ihre volle Dimension. Festsitzen ist also abbildbar.









Montag, 9. März 2020

Coronavirus: Generalstab informiert




Wir können Ihnen leider unter den gegebenen Umständen die derzeit notwendige soziale Distanz zwischen den BesucherInnen nicht garantieren; und selbstverständlich möchten wir Sie keinesfalls dem Risiko einer möglichen Ansteckung aussetzen. Das Verteidigungsministerium hat für einen Teil der Streitkräfte eine erhöhte Führungsbereitschaft angeordnet; dies betrifft vorerst nur das Führungspersonal und soll dessen sofortige Verfügbarkeit sicherstellen. Darüber hinaus wird die konkrete Verfügbarkeit aller ABC-Kräfte, der Militärpolizei und des Sanitätspersonals festgestellt. Weiters wird der verfügbare Transportraum für Land- und für Lufttransporte abgefragt.
















09.03.2020

Montag, 2. März 2020

Notizen zum Utopischen 5 | Das ewige Projekt und der unendliche Text





Planung, also engineering, bedingt stets kulturelle Praxen, muss sich also gewärtigen, stets ein social engineering zu sein. Der Faktor Mensch ist allerdings nicht planbar. Kein Szenario ist perfekt. Im Unterschied zum Projekt hat der konkrete Bau den handfesten Nachteil, real zu sein. Als Gebautes - Konstrukt im eigentlichen Sinne - ist es naturgemäß wenig anpassungsfähig und kaum flexibel.


Die beste Planung wird immer die nicht abgeschlossene sein, die, die auf dem Konzeptpapier und dort mit einfachen Mitteln für neue Situationen adaptierbar bleibt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die reale - also die realisierte -  “ideale Stadt” stets etwas Totales und Totalitäres haben muss, denn sie muss per Ordnung, Verordnung und durch Hüter dieser Ordnung den rechten Gebrauch der geschaffenen Struktur gewährleisten. Das Ideal pflegt keine Ausreißer zu dulden und ist gnadenlos gegenüber Renegaten!


Als Musil'scher Möglichkeitsraum fungiert das Planspiel wie ein Traumfänger: Es agglutiniert Möglichkeiten und Varianten und mag sich in ein unermessliches Reich des Fakultativen erweitern. Hier wohnen die Wonnen der Alleinherrschaft des Planers, des Künstlers, des Träumers und des Phantasten. Das ewige Projekt wird zur Heimat und zum Zwischenstromland der Potenzialität: Alles bleibt möglich, alles bleibt in flimmernder Unentscheidbarkeit und mit jedem neuen Tag zieht die Chance zu reiner weiteren Perfektionierung herauf: Der unendliche Text als Quellgebiet des Lebens ist eine Utopie sui generis

Dem steht aber das Leben gegenüber und die Tatsache, dass erst beruhigt werden kann, was entschieden ist, was konkretisiert worden ist und - wenn man so will - geboren worden ist. Wer schöpft und wer schafft, ist dann auch froh, wenn das Geisteskind "an die Welt entlassen" werden kann und dort sein Eigenleben beginnt. 


Wir lernen, mit seinen (und unseren) Fehlern zu leben. Nur so können wir weiterziehen und uns anderen Dingen, neuen Erfahrungen zuwenden. - Dahingegen binden uns das ewige Projekt und bindet uns der unendliche Text an einen im Übermaß beackerten Boden und an die Fruchtlosigkeit zurück. 








02.03.2020





Sonntag, 23. Februar 2020

Notizen zum Utopischen 4 | Gegenlektüren







Das gebaute Jetzt realisiert eine in der Vergangenheit entworfene Projektion. Auf paradoxe Weise begräbt die Gegenwart die Projektion, denn in der Realisierung wird naturgemäß der utopische Kern des Entwurfs stillgestellt. Projekte und Utopien haben die Charakteristik, dass sie mit dem Augenblick ihrer Realisierung dem Prozess des Alterns und des Veraltens ausgesetzt sind. Oder, wie Freud ein klassisches Dilemma der Archäologie charakterisierte: Pompeji verfällt erst, seit es ausgegraben worden ist. Was im Schutz der Erde jahrhundertelang erhalten blieb, ist seit seiner Freilegung der Witterung, der mechnischen Korrosion (und dem Diebstahl) ausgesetzt. 


Ein Ähnliches gilt für kühne Stadtentwürfe und urbane Projekte: Wasser, Wind, Wetter, Vögel, Feinstaub, Pflanzen, Flechten setzen dem neuen Artefakt bereits mit Baubeginn zu und wohl dem Bauherrn, der Solches in seine Planungen mit einbezieht!

Zu rechnen ist allerdings am deutlichsten mit dem Faktor Mensch und dessen Gabe, sich jeder gegebenen Struktur für eigene Zwecke und nach eigenen Regeln zu bemächtigen. Es handelt sich dabei um jenes anarchische Potential, mit welchem sich alle möglichen Benutzergruppen alle möglichen Räume gegen den Willen von Planern, Architekten und Magistraten aneignen, indem sie sich die gebaute Welt unter Zuhilfenahme von Skateboards, Hunden, Graffiti, Einkaufswagen, Street-Workouts, Müll mit ihrer mit ihrer Condition Humana imprägnieren. 

Mir gefällt diese Ordnungswidrigkeit als Form der Gegenlektüre (John Fiske) und als temporäre Appropriation: Sie erweist offensichtlich den ständigen Kampf um Deutungen und Territorien im urbanen Raum und: Die Vielfalt der in diesem Territorialkampf involvierten Interessen und Gruppen, deren gemeinsamer Nenner darin besteht, nicht als Eigentümer über das Gelände verfügen zu können. (Sennett: Die offene Stadt).

Aber mir gefällt auch die Anarchie des Heimeligen und des Geschmacklosen, welche noch den grandiosesten Architektenentwurf nach Einzug der ersten Bewohner zu überwuchern beginnt. Saubere Architekturfotos, propere und durch ideale Menschenfiguren möblierte Renderings lassen mich an die Dystopie der Cabrini Greens-Sozialbauten in Chicago denken. Der dortige hohe Gewaltquotient gab zu Studien Anlass, die erweisen, dass mit jedem zusätzlichen Baum und mit jeder neuen Grünfläche die Anzahl der Gewaltverbrechen sinkt. 

Zaha Hadids ikonische Wohnbauten am Donaukanal bleiben leer, da von dort aus Supermärkte fussläufig nicht zu erreichen sind. Dahingegen haben die charakteristisch schrägen Pylone sich als architektonisch kontagiös erwiesen: Sie wurden von der Schiffsstation am Schwedenplatz zitiert und von einem Wohnhaus an der Oberen Donaustraße. 














23.02.2020

Freitag, 21. Februar 2020

Notizen zum Utopischen 3 | Wo ist der Entwurf?







Man könnte dies in wenigen Sätzen skizzieren. Man könnte aber auch eine Geschichte bisheriger (städtebaulicher) Utopien schreiben. Letzteres ist oft geschehen und wäre für unseren Kontext womöglich ein paar Nummern zu groß bzw. würde von dem, woran wir denken und arbeiten, fortführen.

Indem ich dies hier formuliere, wird mir deutlicher, dass ich noch einen dritten Pol benötige, um das, was ich insgeheim intendiere, zu konturieren. Nämlich das "Ideal". Erst mit dem Ideal haben wir die Möglichkeit, Utopien und Visionen als zentral gelenkt und - wie wir aus der Geschichte wissen - als tendenziell totalitär zu erkennen. Mit dem Ideal können wir deutlicher humanistische, künstlerische und gesellschaftspolitische Glückenserwartungen thematisieren.

Und wir können erkennen, wie wenig unsere aktuelle Gesellschaft (noch) an Idealen hängt, bzw., wie sehr diese Ideale im Konsum, in kapitalistischer Selbstoptimierung bzw. in Illusionen und Ideologien verhaftet sind. Wohingegen die Krise der alten Parteien wie der Sozialdemokratie ja auch von einem Verlust der Ideale / des Idealen kündet. Am Wort scheinen die Neinsager zu sein. Fridays for Future wiederholt heute spontan Vieles von dem, was die Grünen Mitte der 80er Jahre sagten. Fridays for Future sagt Nein. Und hat damit Erfolg.

Wo ist der Entwurf?













21.02.2020

Donnerstag, 20. Februar 2020

Notizen zum Utopischen 2 | Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral







Oder doch? - In Heinrich Bölls “Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“ trifft ein Tourist auf einen friedlich in der Sonne dösenden Fischer. Mit missionarischer Inbrunst entwickelt der Tourist einen veritablen Business-Plan für den Fischer: Wenn er - statt in der Sonne zu dösen - mehrmals pro Tag ausfahre und folglich größere Erträge erwirtschafte, könne er mehrere Boote anschaffen, andere Fischer einstellen und wäre dann in der Lage, seine Tage in Muße zu genießen. - Dies sei ja bereits der Fall, entgegnet der Fischer und setzte sein Schläfchen in der Nachmittagssonne fort.

Heinrich Bölls Provokation der “Schaffe-Schaffe, Häusle baue”-Mentalität der Wirtschaftswunderzeit (der Text entstand zum “Tag der Arbeit” 1963) taucht heute ebenso in Motivations-Seminaren (Wie kann ich meine Mitarbeiter motivieren?) auf wie in Karriere-Bibeln (Halten Sie es nicht wie der Fischer: Geben Sie sich nicht zufrieden!) oder in Achtsamkeits-Ratgebern (Leben Sie im Hier und Jetzt!) und zeigt damit, dass es nur der geeigneten Rhetorik bedarf, um jedes Argument wirkungsvoll in sein Gegenteil zu verkehren bzw., wie gemütlich es sich im Raum des logischen Zirkelschlusses verharren lässt. 












20.02.2020










Mittwoch, 19. Februar 2020

Notizen zum Utopischen 1 | Die "Vision"



Habe derweil in den Begrifflichkeiten von "Vision" und "Utopie" herum geschnobert. 

Realiter ist "Vision" mittlerweile eine definierte Vokabel im Kontext der Wirtschaftsstrategie und nachfolgend auch im Marketing. Sie soll - wie auch die Utopie - identitäts- und handlungsbestimmend auf die MitarbeiterInnen auf allen Ebenen wirken. Wie die Utopie wird sie den Menschen von der Zentrale aus diktiert, was bedeutet, dass weder Utopie noch Vision auf demokratischen Prozessen beruhen. Erst per Erreichung des Zieles wird Benefit auch für die unteren Ebenen generiert (so jedenfalls das Versprechen). 

Bis dahin herrschen die berühmten "Mühen der Ebene".


























19.02.2020

Sonntag, 16. Februar 2020

Werkstatt




Aber ich kehre noch einmal zu jenem handwerklichen Bild zurück, das für mich persönlich sehr wichtig ist. Der Schreibraum ist für meine Begriffe wie eine Werkstatt, in der man vielleicht manchmal - und aus Gründen, die für einen Laien nicht nachvollziehbar sind - an einem Werkstück Blut und Wasser schwitzt, in der man aber sein Zuhause weiß. Dazu gehört auch, dass man Vieles von dem, was textmäßig in der Welt kursiert, als "unhandwerklich" oder als "wider die Handwerksmoral verstoßend" empfindet und eine deutliche Grenze zieht gegenüber jenen, die offensichtlich denken, dass jeder, der zu sprechen imstande sei, damit notwendig auch zu schreiben vermöge.











Bassers Nachf., 1020 Wien 2015 @ Chris Zintzen @ panAm productions 2020
Blassers Nachf., 1020 Wien, 2015
























16.02.2020















Montag, 10. Februar 2020

- - OUT NOW: litblogs.net: Lesezeichen 04/2019 - -


 


Lesezeichen, Ausgabe 04/2019 vom 11. Februar 2020



Fotoarchäologie © Thomas Huber @ Flaneurin


In dieser Ausgabe: appropriation art, assemblage, brief, die fackel (zeitschrift), kochen, korpus (linguistik), kraus (motiv)  - - -  und er klimperte weiter, / Tropfen für Tropfen, / heiter das Regenlied  - - - Ich überlege mir, ob mein Leben hinreicht, das alles zu notieren. - - - Der Verkäufer erzählte, dass er in gebrauchten Kameras immer wieder Filme finde, die wohl vergessen worden waren und die er dann aufrolle und sichere. - - - "Die müllen uns noch zu mit Flüchtlingen!“ belausche ich auf dem Bürgersteig ein Gespräch unter Deutschen. - - -  Genesisgewebe, Aggregatszustände, Schutzschichten und heimlich Verbarrikadiertes - - - Er fragte sich ja immer schon wie die Geschichten in die Bücher kommen. Nun scheinen sie auch noch aus den Büchern wieder herauszukommen. Oder ist er selber hineingeraten? - - -  Die Frage, ob Trauerarbeit das richtige Wort ist, wenn man auf das Ende eines 1700-seitigen Romans hinliest, ist nun sicherlich völlig unwissenschaftlich, stellt sich mir allerdings. - - - Es ist ein klei­nes Wun­der, das mich sehr berührt. Ich will es unter der Wort­bo­je Giu­sep­pi Logan in ein Ver­zeich­nis schrei­ben, das ich aus­wen­dig ler­nen wer­de, um alle die Geschich­ten wie­der­fin­den zu kön­nen, die ich nicht ver­ges­sen will. - - - Twitt twitt, costumers of all years / say hello to the seasons! - - - Der Himmel ist samten / und violett. Die Wände / rot, verspiegeltes Boudoir. / Chippendale-Stühle, / ein Hamlet-Schädel zu Tisch- - -  u.v.a.m. - - -

INHALT:
1. Laura Paloma: De Facto!
von Hartmut Abendschein
in: taberna kritika

2. Konzertina
von Mirko Bonne
in: der goldene fisch

3. 2/20 – Air
von Marianne Büttiker
n: tempo fugato

4. Fotoarchäologie
von Thomas Huber bei Barbara Denscher
in: Flaneurin

5. Von Flüchtlingen und anderen Menschen
von Andreas Glumm
in: Studio Glumm

6. Planeta
von Phyllis Kiehl
in: Tainted Talents
7. Der Himmel ist blau
von Rittiner & Gomez
in: isla volante

8. Kurze Bemerkung zu Hans Henny Jahnns großem Roman „Fluß ohne Ufer“
von Norbert W. Schlinkert
in: Nachrichten aus den Prenzlauer Bergen!

9. ein zerbeultes saxophon
von Andreas Louis Seyerlein
in: particles

10. zwanzig twenty vingt dwaceći
von Hans Thill
in: der goldene fisch

11. Amantea | Paradies Artificiel
von Chris Zintzen
in: panAm productions


➾ Zur Übersicht aller Lesezeichen-Ausgaben



Litblogs.net - Literarische und künstlerische Weblogs, hg. von Hartmut Abendschein, Markus Hediger und Chris Zintzen, Bern / Wien 2004-2020



Sonntag, 2. Februar 2020

oh, sonder | usp

commonplaces of the marketplace




etwas ganz besonders besonderes
so sonder zahl, so besonnen sondergleichen,
somit so samt und sonders solitär,
besonders sonntags ohnegleichen.









The unique selling proposition (USP) or unique selling point is a marketing concept first proposed as a theory to explain a pattern in successful advertising campaigns of the early 1940s. The USP theory states that such campaigns made unique propositions to customers that convinced them to switch brands. The term was developed by television advertising pioneer Rosser Reeves of Ted Bates & Company. Theodore Levitt, a professor at Harvard Business School, suggested that, "Differentiation is one of the most important strategic and tactical activities in which companies must constantly engage." (Link)








02.02.2020

Vorfrühling



Kaum wird es heller
verlassen die Vögel
den Dunstkreis der Stadt.

Ich suche vergeblich
meine Kolonie der Wildgänse,
Kormorane, Enten und Möwen.

Noch weiss ich nicht,
wo sie zu finden sein werden.
Warten allein ist nicht genug.

















Wien, den 01.02.2020